Haruki Murakami: Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki
Das Feuilleton ist sich einig: Mit seinem neuen Roman führt Haruki Murakami die Schwedische Akademie vor, weil sie ihm den Nobelpreis für Literatur bisher verweigert hat. Doch da kann man auch widersprechen. Nicht, dass „Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki“ ein schlechtes Buch ist: Murakami erzählt von einem Helden, der sich mit Mitte 30 aufmacht, ein traumatisches Erlebnis seiner Jugend zu ergründen. Damals wurde er ohne Nennung eines Grundes von seinen besten Freunden verstoßen, was ihn fast in den Selbstmord getrieben hat und auch noch knapp 20 Jahre später ein gesundes Selbstbewusstsein torpediert.
Mit seinem Großprojekt „1Q84“ hatte sich Murakami zuletzt etwas übernommen, und besonders der letzte Band des komplett durchgeknallten Sci-Fi-Dreiteilers enttäuschte, weil viel zu viel ins Leere lief. Wenn er dagegen im neuen Roman fast komplett auf fantastische Elemente verzichtet, tut das der Spannung keinen Abbruch, und erstaunlicherweise arbeitet er mit seinem lakonischen, unglaublich entspannten Erzählton dem Pageturnereffekt sogar noch zu.
Nur bleibt bei „Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki“ dann doch zu wenig im Unklaren. Murakami hat eine Botschaft, und die ist ihm leider so wichtig, dass er sie mal als bedeutungsschwangeren Fingerzeig und mitunter sogar durch moralisierende Untertöne absichert. Die größte Stärke des Vielschreibers ist aber schon das von ihm in Romanen wie „Kafka am Strand“ und „Wilde Schafsjagd“ als Selbstverständlichkeit beschriebene Vordringen in Parallelwelten. Deren Ausgestaltung ist nicht willkürlich, auch wenn Murakami anscheinend selbst nicht so genau weiß, was seine mystischen Welten ihm sagen sollen. Immer dann, wenn er seine Leser mit diesem Schwebezustand verunsichert, hat er den Nobelpreis verdient. Aber „Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki“ ist doch einfach nur ein sehr guter Roman.