Hayato Sumino: A Star is born
Auf seinem Debütalbum spielt der japanische Pianist Hayato Sumino Bach, Chopin und Debussy. Muss er dafür seinen YouTube-Hintergrund verleugnen?
Das älteste Video auf dem YouTube-Kanal von Hayato Sumino – auf der Plattform ist er unter dem Namen Cateen aktiv – ist 13 Jahre alt. Darin ist nur die rechte Hand des Musikers zu sehen, während er das Arcade-Musikspiel „Jubeat Copious“ spielt, bei dem in einem 4×4-Raster angeordnete Felder im Rhythmus eines Songs berührt werden müssen, wenn sie aufleuchten. Am Ende wird der Score angezeigt: Sumino hat eine Kombination aus 708 fehlerfreien Berührungen hingelegt und die höchste mögliche Punktzahl erzielt. Ein Arcade-Spiel ist natürlich kein richtiges Instrument, und doch ist in diesem zweieinhalbminütigen Clip bereits die spätere Karriere des japanischen Pianisten vorgezeichnet, der mit „Human Universe“ nun sein Debütalbum veröffentlicht.
Im Video werden vor allem zwei Dinge sichtbar: Spaß am Spiel, gepaart mit einer Virtuosität, die nur nach obsessivem Üben entstehen kann. Es ist eine Kombination, die gerade auf YouTube zündet, und hier hat auch Suminos Laufbahn begonnen. In seinen beliebtesten Videos beeindruckt er nicht nur durch seine Klavierkünste, sondern hat immer auch eine ungewöhnliche Idee parat, spielt etwa Flügel und Melodica gleichzeitig oder interpretiert Mozart auf einem Spielzeugklavier. Doch längst ist er auch jenseits des Internets etabliert, hat diverse Wettbewerbe gewonnen und das legendäre Nippon Budōkan in Tokio ausverkauft. Nebenher ist er auch noch Mitglied der J-Pop-Band Penthouse.
Bach, Ravel, aber auch Hans Zimmer
Als Debüt-Soloalbum ist „Human Universe“ also auch ein Moment der Bekenntnis für den 29-Jährigen: Wie ernst oder spaßig will er wirken? Wen will er ansprechen? Welche Genres bedienen? Als loses Konzept hat sich Sumino das Universum ausgesucht, nach Eigenaussage versammelt er darauf neben Eigenkompositionen „klassische Stücke, die an das Universum gemahnen oder zu introspektiver Selbstreflexion gedacht sind.“ Klar, dass sowohl Bachs „Jesu bleibet meine Freude“ als auch „Clair de Lune“ unter diesen Schirm passen, aber ist Ravels „Boléro“ nicht eigentlich gegenteilig gemeint? Dafür verweisen Ryuichi Sakamotos „Solari“ und Hans Zimmers „Day One“ aus dem Soundtrack zu „Interstellar“ explizit auf die Raumfahrt – und es ist sicher kein Zufall, dass gerade letzteres Stück ein ewiger Liebling von YouTube-Pianist:innen ist.
In diesen Interpretationen zeigt sich Suminos Spieltrieb, der sich gegen die Konventionen stemmt. In seinen Eigenkompositionen wird dieser sichtbar, wenn er Einflüsse aus Barock, Romantik und Filmmusik vermischt. Spannend ist auch „Recollection“, eine Art Variation über Chopins zweite Ballade, die tatsächlich so klingt, als würde sich der Pianist im Halbschlaf nur vage daran erinnern. Nicht nur hier arbeitet Sumino mit dezenten elektronischen Effekten, um seinem Klavier eine sphärische Qualität zu geben – für Klassikpurist:innen wohl ein No-Go, das sich jedoch auszahlt. Dass Sumino weiterhin zu seiner YouTube-Karriere steht, macht auch der Schlusstrack deutlich: Es sind sieben Variationen über das Kinderlied „Twinkle twinkle little Star“ – eine Wiedereinspielung eines seiner erfolgreichsten Videos.