Heinz Strunk: Der goldene Handschuh
Wird er für alle Zeiten der lustige Heinzer mit den Tanzmusikanekdoten bleiben? Vermutlich ist sogar Heinz Strunk selbst skeptisch, ob er er als Autor jenseits der Ich-Perspektive ernst genommen werden wird. Dabei gibt es bereits einen ersten Hinweis darauf, dass der 53-jährige Hamburger seinen Bestseller „Fleisch ist mein Gemüse“ hinter sich lassen kann und nicht auf ewig als der Autor gelten wird, der die eigene Biografie plündert und humoristisch aufbereitet: Durch die Nominierung für den Preis der Leipziger Buchmesse bekam sein neuer Roman bereits vor dem Erscheinen den Nachweis des Seriösen verliehen. In „Der goldene Handschuh“ zeichnet er ein Psychogramm des Serienmörders Fritz Honka, der in den 1970ern mehrere Frauen tötete, ihre Körper kleinteilig zerstückelte und die Leichen teile in seiner Wohnung verstaute. Mit großer Empathie nähert sich Strunk dem durch eine grausame Jugend voller Missbrauch und Gewalt sowohl geistig als auch körperlich gezeichneten Mann aus der untersten Unterschicht, und er begleitet Honka in die Hamburger Absturz kneipe Zum Goldenen Handschuh, in der er ältere Frauen kennenlernt.
Und nicht nur dem Täter, auch seinen Opfern nähert sich Strunk mit großem Einfühlungsvermögen. Vielleicht hat sich Strunk ja gefühlsmäßig an seinen Großmüttern orientiert, um diese einfachen Frauen dar zu stellen, die um die Jahrhundertwende geboren wurden und Kriege mitgemacht haben: Oft war es nur eine einzige Weichenstellung, die darüber entschieden hat, ob ein konventionell bürgerliches Leben gelingt oder diese Frauen entwurzelt und alleinstehend auf dem Kiez landen – und damit zu potentiellen Honka-Opfern werden. Dass es in „Der goldene Handschuh“ nicht ganz humorlos zugeht, dafür sorgt die Belegschaft der Absturzkneipe. Doch vor allem zeichnet den Roman Strunks aufwendige Recherchearbeit aus: Im Hamburger Staatsarchiv durfte er die Prozessakten studieren, er hat Fachbücher über den Szenejargon der damaligen Zeit zu Rate gezogen, bei den Leichenschnippeleien erkennt man, dass Strunk „American Psycho“ gelesen hat, und ohne jeden Zweifel zählt wohl auch Charles Bukowski zu seinen literarischen Helden. Schon in Strunks früheren Werken schimmerte sein Interesse für die abgerissenen Existenzen des Arbeitermilieus durch. Mit „Der goldene Handschuh“ gibt Strunk dem Identifikationsangebot voll nach: Bei Bukowski mag es um die Fischfabrik und die Welt der Alkoholiker gehen, aber auch im Kleinbürgerlichen steht man unter einem extrem starken Leidensdruck.