Horst P. Horst: NRW-Forum, Düsseldorf
Der Name ist natürlich ein Witz. „Horst P. Horst“, so heißt niemand, das ist ein Pseudonym. Und zwar eines für Horst Paul Albert Bohrmann, geboren 1906 in Weißenfels, preußische Provinz Sachsen. Der übersiedelte nach Architekturstudium, Modelkarriere und ersten Fotoerfolgen für die französische Vogue 1935 in die USA, kämpfte im Zweiten Weltkrieg gegen Nazideutschland und nahm 1943 die US-Staatsbürgerschaft unter dem Namen Horst P. Horst an. Was einerseits damit zu tun hatte, dass das für die amerikanische Karriere schlicht griffiger klang, andererseits aber auch eine Distanzierung vom faschistischen Deutschland bedeutete, in dem der homosexuelle Horst nie einen Platz hatte. Jedenfalls: Spätestens ab Mitte der Vierziger war „Horst“ ein Label, eine Chiffre für erfolgssatte Modefotografie internationaler Prägung. Horst war zum „Photographer of Style“ geworden, wie eine Retrospektive im Düsseldorfer NRW-Forum (bis 22. Mai) titelt.
Ein radikaler Bruch in Horsts Werk war der Einfluss der Farbe, der spätestens mit Beginn der Vierziger seine Ästhetik prägte. Waren zuvor erschienene Aufnahmen wie „Salvador Dalí’s costumes for Leonid Massine’s ballet Bacchanale“ (1939) oder „Corset by Detolle for Mainbocher“ (1939) zwar schon geprägt von ikonographischer Gewalt, aber noch eingebunden in expressionistische und surrealistische Bildwelten, so findet ab „Dress by Hattie Carnegie“ (1939) eine Explosion der Farbigkeit statt. Dieser Stilbruch lässt sich einerseits mit der technischen Innovation dieser Zeit erklären, andererseits aber auch mit einer inhaltlich-kulturellen Bedeutungsverschiebung: Horsts Kunst war von der europäisch-französischen Modefotografie zu einer amerikanischen Kunst geworden. Und die ist eben eine popbunte, Jahre, bevor irgendjemand auf die Idee kam, den Begriff Pop auf die Bildende Kunst anzuwenden.
Ein Stück weit ist das naürlich auch ein Klischee: In Frankreich fotografierte Horst Haute Couture, das Ergebnis waren elegante, auf scharfe Schwarz-Weiß-Kontraste bauende Aufnahmen von Stars wie Marlene Dietrich und Rita Hayworth. In den USA hingegen ging es um Fashion, die Bilder brüllten einen an, mit schreienden Farben, mit einer Deutlichkeit, die alles zeigte und in der knalligen Verspieltheit des Vogue-Covers „Summer Fashions“ (1941, Abbildung auf S. 91) gipfelte. Was für eine Entwicklung – von Hayworth zu einem namenlosen Model, das in einem absurden Arrangement einen roten Luftballon auf den Zehen balanciert! Diese Empörung allerdings ist müßig, ignoriert sie doch, wie ästhetisch ausgefeilt das vorgeblich absurde Arrangement in Wahrheit ist, was für eine Befreiung das Spiel mit Farben für Horst auch war, wie reizvoll es war, die strengen Regeln des guten Geschmacks hinter sich zu lassen und stattdessen das spielerische Nichtstun eines Sommertags am Strand auch in die Ästhetik einfließen zu lassen.
Zumal Horst das Strenge, Geschmackvolle nicht verlernt hatte. Auch in seinen amerikanischen Arbeiten findet sich ein klares Formbewusstsein, das durch den forcierten Farbeinsatz noch einmal potenziert wird – die grünen Querstreifen in „Dress by Hattie Carnegie“ (1939, Abbildung auf S. 92) doppeln sich im Schatten, den das Model wirft, während das blaue, etwas unordentliche Kleid einen deutlichen Gegensatz zur Strenge des Ambientes darstellt, ein Gegensatz, der durch zwei rote Akzente am unteren und am rechten Bildrand noch einmal aufgenommen wird. Außerdem hat sich Horst nicht endgültig von der Schwarzweißfotografie verabschiedet, nur in seinen Modeaufnahmen findet sie kaum noch Platz – dafür aber in ironisch aufgeladenen Aktbildern wie „Male Nude“ (1952) und „Round the Clock“ (1987).
Man kann diese Kunst und ihre Ananlyse als formverliebt schmähen, sicher. Wenn man Stil mit sicherer Beherrschung der Form und Bruch derselben übersetzt, dann muss man aber auch anerkennen, dass es in der Kunstgeschichte wohl kaum einen zweiten Fotografen gibt, der so stilbewusst daherkommt, wie Horst P. Horst, geborener Bohrmann. Ein „Photographer of Style“, indeed.