How To Dress Well: Care
Eigentlich kann man auf diese großgestigen Schmachtfetzen nur mit Abwehr reagieren – wenn hier nicht Tom Krell alias How To Dress Well am Werk wäre.
Sein viertes Album ist eine konsistente Weiterentwicklung – und doch irritiert die Entschlossenheit, mit der Tom Krell den eingeschlagenen Weg weitergeht. Immerhin ist es erst ein paar Jahre her, dass man den Philosophen aus Chicago mit den ersten beiden How-To-Dress-Well-Alben als einen Lo-Fi-Musiker kennenlernte, der R’n’B und Soul für ein alternatives Publikum bis zur Unpeinlichkeit dekonstruierte. Schon „What is this Heart“ brachte 2014 den Umschwung – aber selbst wenn Krell die spröden Produktionen seiner Anfangstage fortan als technisch bedingt, aber ästhetisch nicht gewollt einstufte, waren die großen Gesten doch immer noch mit Scham, Leid und Skrupel vor der eigenen Courage durchsetzt.
Von all dem befreit steigt „Care“ jetzt mit der Hymne „Can’t you tell“ ein, die bedingungslos den Sex und das Leben feiert – und trotzdem erst ein Vorspiel für all die vermeintlichen No-Gos ist, die mit den restlichen zehn Songs noch folgen: Schmonzetten, bei denen Celine Dion als Referenz unüberhörbar ist. Melodien, die nach einer Arena verlangen. Ausgelassene Gitarrensoli, die in einer ähnlichen Größenordnung dargeboten werden wollen. Und eine glasklare Popproduktion, über der in jeder Sekunde Krells Plädoyer thront, sich selbst und die anderen besser kennenzulernen, und endlich den Mut zu haben, glücklich zu sein.
All das geht natürlich eigentlich gar nicht, und man kann Krell nur wünschen, dass all jene das Kitschradar ignorieren, die von seiner Geschichte und dem Ringen wissen, zu dieser Platte zu kommen. Sie werden beim genaueren Hinhören bemerken, wie wenig es mit Kitsch zu tun hat, wenn er die Dynamiken menschlichen Mit- und Gegeneinanders durchdringt. Sie werden ihre Grenzen erweitern, die sie sich als alternative Musikhörer gesetzt haben. Und sie werden am Ende auf den Zehnminüter „They’ll take everything you have“ stoßen, den man getrost in einem Atemzug mit „Purple Rain“ von Prince nennen darf. cs