Tausend Tränen tief: „I don’t want you anymore“ von Cherry Glazerr
Warum ist das neue Album von Clementine Creevys Bandprojekt Cherry Glazerr nur so zum Heulen? In einem Gespräch mit Creevy haben wir nach Antworten gesucht.
„I don’t want you anymore“ von Cherry Glazerr: Liebes-Obsession
„Ich tendiere in Beziehungen dazu, mich selbst zu verleugnen und zu verlieren“, fasst Clementine Creevy ihr viertes Album zusammen. „Mit den Songs spüre ich dieser Tendenz nach, mich derart einem Gegenüber anzupassen“, sagt die 26-Jährige und lacht nach einer kurzen Pause laut auf. „Warum suche ich Bestätigung durch Sex, Dunkelheit und Craziness?“, fragt sie dann mit theatralischem Unterton, doch die überspitzte Formulierung soll keinesfalls verschleiern, dass sie vor der Veröffentlichung von „I don’t want you anymore“ nervös ist.
„Warum suche ich Bestätigung durch Sex, Dunkelheit und Craziness?“
Natürlich ist ihr bewusst, dass sie als Sängerin und Gitarristin der Garagenrockband Cherry Glazerr vor allem als taffe und unabhängige Frau gelesen wird und die thematisierte Liebes-Obsession viele ihrer Fans überraschen dürfte: So heavy und so wütend die Gitarre bei „Soft like a Flower“ klingt, bricht Creevy doch mitten im Song in Tränen aus. „Das gehört zu mir und ich will das teilen – auch, weil es Teil des Weges ist, mein Verhalten zu verändern.“ Nicht ohne Stolz erzählt sie, wie sie im Büro ihrer Plattenfirma die Testpressung gehört hat – und auch die Label-Mitarbeiter:innen geschluchzt haben. „Ich habe angeboten, dass wir aufhören, aber sie wollten, dass ich die Platte laufen lasse“, lacht sie.
Auch musikalisch hat das Album einige Überraschungen zu bieten, denn neben dem angestammten Rocksound ist mit Songs wie „Bad Habit“, „Ready for you“ und „Wild Times“ auch tanzbarer Pop vertreten. „Durch einen Freund bin ich auf alternativen Elektro gestoßen und habe zuletzt viel Four Tet, Caribou und Overmono gehört“, erklärt Creevy den wilden Genreritt. „Warum sollte ich mich in eine Nische drängen lassen und nicht auch selbst mit diesem Sound experimentieren?“, fragt sie, und eine durchaus schlüssige Albumdramaturgie gibt ihr recht. So nennt sie dann auch den Dreampopsong „Golden“ als persönlichen Favoriten – wenn auch mit Abstrichen. „Es gibt da diesen Kipppunkt, mit dem das Stück zum Pop wechselt, und der war ursprünglich viel großgestiger und lauter“, erzählt sie und schlägt die Hände vors Gesicht. „Als mein Freund im Studio war, hat er vorgeschlagen, das etwas zurückzunehmen – und ich habe auf ihn gehört.“ Dann aber lacht sie, und es ist ein kathartisches Lachen: „Jaha, Problem erkannt. Vorher war es viel geiler.“