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Ukrainische Serie „In her Car“ im ZDF: Im Auto durch den Krieg

Lydia (Anastasia Karpenko) kann es nicht fassen. Anstatt wirklich Bedürftigen zu helfen, muss sie die quengelige Geliebte ihres Mannes durch die Gegend fahren. Doch dann stößt Lydia ausgerechnet dank ihr auf ein noch ein viel größeres Geheimnis, als die Untreue ihres Ehemanns.
Lydia (Anastasia Karpenko) kann es nicht fassen. Anstatt wirklich Bedürftigen zu helfen, muss sie die quengelige Geliebte ihres Mannes durch die Gegend fahren. Doch dann stößt Lydia ausgerechnet dank ihr auf ein noch ein viel größeres Geheimnis, als die Untreue ihres Ehemanns. (Foto: ZDF/Roman Lisovsky)

Die Dramaserie „In her Car“ ist eine Warnung, auch nicht nach zwei Jahren Ukraine-Krieg die Menschen zu vergessen. Jetzt in der ZDF-Mediathek.

Es ist der 24. Februar 2022, und die Psychologin Lydia ist mit ihrem Auto auf dem Weg von Kiew nach Charkiw, wo sie endlich ihre Scheidung einreichen will. Auf dem Weg dorthin gabelt sie die junge Anhalterin Olga auf, die ihrer Schwester die Hochzeit versaut hat und sich nun mit ihr um das Erbe ihres Vaters streitet. Als sie an einer Tankstelle in eine Militärkontrolle geraten, schlägt plötzlich nicht weit entfernt eine Bombe ein. Der russische Überfall auf die Ukraine hat begonnen.

„In her Car“: Ab sofort in der ZDF-Mediathek

Da Lydia selbst ihre Schwester vor einigen Jahren – und, wie wir später erfahren, bei den ersten kriegerischen Handlungen 2014 – verloren hat, legt sich bei ihr ein Schalter um: Sie entscheidet sich nicht nur, Olga bei der Suche nach ihrer Schwester zu helfen, sondern mit ihrem Auto bei der Evakuierung aus dem Kriegsgebiet zu helfen. Und so wird die ukrainische Serie „In her Car“ (ab sofort in der ZDF-Mediathek) zu einer intimen Fahrt durch die Einzelschicksale hinter der kriegsgebeutelten Gesellschaft.

In jeder Folge hat Lydia neue Beifahrer:innen in ihrem Auto. Ein bisschen wie in Jim Jarmuschs „Night on Earth“ – nur weitaus erschütternder. Alle von ihnen sind angenehm ambivalent geschriebene Charaktere, einige von ihnen will man sogar richtig blöd finden. So gelingt es der Serie, geschickt der universellen Hilflosigkeit im Angesicht des Krieges nachzuspüren und ganz unsentimental eine richtige Binsenweisheit zu illustrieren: Egal, ob moralisch richtig handelnder Mensch, ob Betrügerin oder Arschloch, niemand hat es verdient, im Krieg zu sterben. Obwohl es sogar welche gibt, die sich am Krieg bereichern. Eine Tiefe, die Tagesschaubilder und Reportagen oft gar nicht zu vermitteln imstande sind.

Inga (Olena Oleynikova, l.) weiß nicht mehr weiter. Doch bevor Lydia (Anastasia Karpenko ,r.) ihr helfen kann, müssen sie sicher die Grenze passieren. Das ist einfacher gesagt als getan.

„Der emotional herausforderndste Tag war für mich jedoch, als wir in einem Haus in Borodjanka drehten, das tatsächlich von russischer Seite bombardiert worden war. Es war herzzerreißend zu sehen, dass dieser Ort, der einmal das Zuhause von jemandem war, nun nur noch Asche ist“, erklärt die tolle Hauptdarstellerin Anastasia Karpenko. Die Dringlichkeit, die dieser Serie innewohnt, liegt an ihrer Untrennbarkeit aus der Wirklichkeit. Und so ist dieses Projekt auch in Sachen Produktion nur schwer mit anderen öffentlich-rechtlichen Serien zu vergleichen. So ist „In her Car“ als eine paneuropäische Koproduktion der Sender ZDFneo, FTV (Frankreich), SRF (Schweiz), DR (Dänemark), NRK (Norwegen), RUV (Island) und SVT (Schweden) entstanden, um zum zweiten Jahrestag der russischen Invasion dem Vergessen entgegenzuwirken und die Geschichten der Ukrainer:innen zu erzählen.

Dass Wolodymyr Selenskyj selbst kürzlich die Maidan-Proteste 2014 als den eigentlichen Start dieses Krieges erklärt hat, ist eine spannende Parallele zur Serie. Diese spielt nämlich immer wieder auf mehreren Zeitebenen und zeigt, dass die Verluste, die Traumata, das Leid bereits viel älter sind. Und jedes Mal, wenn Lydias prüfender Blick in den Rückspiegel fällt, ist es auch eine Mahnung, diese Vergangenheit nicht zu vergessen.

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