Mohammad Rasoulof drehte „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ im Iran heimlich
Mohammad Rasoulof ist aus dem Iran geflohen und lebt in Deutschland. kulturnews sprach mit ihm über seinen neuen Film „Die Saat des heiligen Feigenbaums“, der jetzt in den Kinos startet und zudem von Deutschland für den Oscar in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ eingereicht wurde..
Mohammad Rasoulof, Sie zeigen in ihrem Film „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ (hier die Rezension) eine iranische Mittelstandsfamilie, die sich mit dem System arrangiert hat. Ein typischer Fall aus dem heutigen Iran?
Mohammad Rasoulof: Es ist natürlich nicht nur im Iran so, sondern in jedem diktatorischen Regime, dass die Menschen mit dem Regime verschmelzen. Für meine Hauptfigur Iman ist der Wohlstand ein wichtiger Teil, den er für die Aufgabe seiner Freiheit kriegt. Er kommt zu dem Punkt, sich zu entscheiden, und lässt sich auf diesen Handel ein.
Als die Proteste gegen das Regime ausbrechen, reagieren die Eltern und die Töchter sehr unterschiedlich darauf – wie kommt es dazu?
Mohammad Rasoulof: Es gibt einen Generationenkonflikt. Die Mutter ist eingeschränkt auf das, was sie im Fernsehen sieht – das ist ihre einzige Quelle, und sie akzeptiert es als die Wahrheit. Die Töchter aber akzeptieren das nicht, denn sie haben über ihre Handys auch ganz andere Quellen, die nicht nur Propaganda verbreiten.
Sie mussten heimlich drehen – wie hat sich das auf den Film ausgewirkt?
Rasoulof: Es hat mir sogar eine gewisse Freiheit gegeben. Ich habe mir jeden Tag gesagt, dies könnte der letzte Tag sein, falls die Behörden es erfahren und ich verhaftet werden würde. Dadurch kam es auch dazu, dass ich im Film die Genres wechsele. Ich habe nicht darauf geachtet, ob es nun ein Familiendrama oder ein Thriller werden würde – ich wollte es genau auf diese Art und Weise machen.
Wie haben Sie Ihre Schauspieler gefunden?
Rasoulof: Das war extrem schwer, weil 95 Prozent der Schauspieler im Iran für das Regime arbeiten. Als wir verschiedene Schauspieler kontaktiert haben, haben wir auch nicht direkt gesagt, worum es geht. Das hört sich ein bisschen an wie Spionage. Mit der normalen Art des Filmemachens hat das wenig zu tun; auch dass ich als Regisseur oft nicht vor Ort sein konnte und die Dreharbeiten aus der Distanz beobachten musste. Das hieß natürlich, dass die Schauspieler sehr viel Verantwortung trugen.
Ihnen war klar, dass der Film im Iran nicht gezeigt werden würde – wie sehr schmerzt es Sie, dass Ihr Werk in Ihrer Heimat nicht bekannt ist?
Rasoulof: Das sind Schmerzen, die ich schon sehr lange spüre. Ich habe acht Kinofilme gemacht, aber keiner von ihnen wurde jemals im Iran gezeigt. Aber die Menschen im Iran, die diese Art von Kino verfolgen, kriegen trotzdem irgendwie Zugang dazu. Das kann man wie einen Bumerang beschreiben: Was ich aus dem Iran herauswerfe, kommt irgendwann zurück in den Iran.
Sind Sie optimistisch, dass das Regime die nächste Protestwelle nicht übersteht?
Rasoulof: Ich denke, solche Veränderungen können nicht spontan passieren. Die Revolution von „Frau, Leben, Freiheit“ war ein Glied in einer langen Kette. Aber ich glaube, dass die jetzige Generation sehr klug ist und darauf wartet, dass die Zeit reif ist.