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James Yorkston & Nina Persson: Fast alles ist gut

James Yorkston und Nina Persson bei Liveaufnahmen im Studio
(Foto: Siam Adler)

Für sein neues Album „The great white Sea Eagle“ hat sich der schottische Folkmusiker James Yorkston mit der legendären Cardigans-Sängerin Nina Persson zusammengetan.

Unterstützt von Nina Persson veröffentlicht der schottische Folkmusiker James Yorkston sein neues Album „The great white Sea Eagle“.

Nina, James, ihr habt euch für die Aufnahmen von James‘ neuem Album zum allerersten Mal getroffen. Aber wisst ihr noch, wann und wie ihr die Musik des anderen kennengelernt habt?

James Yorkston: Das ist jetzt bestimmt schon fast 30 Jahre her. Ich war gerade von meinem kleinen Heimatkaff nach Edinburgh gezogen, wo ich in einer Band gespielt und nur mit Musiknerds abgehangen habe. Wir haben ständig Musik ausgetauscht, und das erste Cardigans-Album haben wirklich alle geliebt. Es gab es in dieser Zeit wohl kein Mixtape, auf dem nicht einer ihrer Songs gelandet ist.

Nina Persson: Ich muss gestehen, dass ich James‘ Musik erst entdeckt habe, nachdem mich unser gemeinsamer Freund Karl-Jonas Winqvist vom Second Hand Orchestra gefragt hat, ob ich auf dem Album singen möchte. James’ Namen hatte ich natürlich schon oft gehört und in Musikmagazinen gelesen, aber meine Aufmerksamkeit war in den letzten Jahren einfach nicht so sehr auf die Musik gerichtet. Was wirklich schade ist, denn all seine Alben bieten genau das, was mich musikalisch interessiert.

Yorkston: Hey, das ist voll okay. Es gibt einfach so viel spannende Musik da draußen. In den Popcharts bin ich ja nie gewesen – und ich habe es auch nicht darauf angelegt. (lacht)

Persson: Durch unsere Platte habe ich erfahren, dass viele meiner Freunde große Fans sind und deine Musik schon seit vielen Jahren verfolgen.

Yorkston: Für diese Langlebigkeit bin ich auch unendlich dankbar. Wenn ich genug Geld gehabt hätte, um mir einen Pool leisten zu können, wären es wohl niemals so viele Platten geworden. Ich hätte womöglich nur am Pool abgehangen und Schokolade in mich reingestopft. (lacht)

Nina Persson: Stimmt, das ist genau der Grund, warum ich meine musikalischen Aktivitäten irgendwann runtergefahren habe. (lacht)

James, bei dem Song „An upturned Crab“ habe ich ehrlich gesagt die Befürchtung, du bist das Musikerdasein und vor allem das Touren mittlerweile müde und möchtest lieber Zeit bei deiner Familie verbringen. Immerhin bist du inzwischen ja auch ein sehr erfolgreicher Romanautor.

James Yorkston: Ich toure längst nicht mehr so viel wie früher – aber ich könnte niemals ohne. Nach wie vor liebe ich es, unterwegs zu sein und all diese Erfahrungen zu machen. Das Schreiben von Büchern hat viele Vorteile, aber ich genieße dieses Pendeln und habe in den letzten Jahren sehr davon profitiert, dass sich die unterschiedlichen Projekte wechselseitig befeuern.

Nina Persson: Wenn ich an der Musik-Universität unterrichte, ist das der wichtigste Ratschlag, den ich meinen Student:innen gebe: Arbeitet in so vielen Formaten wie möglich. Viele von ihnen sind blockiert, weil sie sich zu sehr auf ihre Spezialdisziplin fokussieren. Am liebsten würde ich ihnen sogar sagen: Studiert nicht so intensiv, sondern schaut Filme, lest Bücher und vernachlässigt nicht eure Beziehungen. Ihr braucht Input.

Aus welchem Grund bekommt man denn Besuch von der „Heavy Lyric Police“?

James Yorkston: Ah, in dem Lied geht es um ein Gespräch mit einem alten Freund. Ich erzähle ihm, dass es mir gut geht – aber eigentlich ist dem ganz und gar nicht so. Während ich meinem Freund antworte, denke ich an meine Songs, die etwas ganz anderes sagen. Sie sind die Heavy Lyric Police. In meinen 20ern hatte ich sehr mit Depression zu kämpfen. Heute ist es sehr viel besser, da hat ein Jahr meist elf wirklich okaye Monate. Für mich ist dieser Song eine Warnung, dass nicht alles gut ist.

Du bist jetzt 50 und ziehst auf „The great white Sea Eagle“ eine Bilanz in der Mitte deines Lebens. In den sehr direkten Texten geht es um Liebe, Reue, Abschied, Trauer und das Älterwerden – und trotz dunkler Momente offenbart das Album einen glücklichen oder zumindest zufriedenen Menschen. Doch auch ganz am Ende steht mit dem Song „A hollow Skeleton lifts a heavy Wing“ eine sehr ergreifende Kampfansage.

James Yorkston: Ich konzipiere meine Alben nicht und versuche, beim Schreiben möglichst wenig nachzudenken. Da hatte ich all diese schönen und sehr harmonischen Stücke geschrieben – und dann war da plötzlich dieser Song mit Zeilen wie „If the first half was rough, oh the second is a curse“. Ich habe mich gefragt: Fuck, wo kommt das jetzt her? Aber auch das gehört eben zu mir, und es steckt da sehr viel Wahrheit drin: „An hour’s walk brings a moment’s peace“. (lacht) Ich suche selbst noch nach den optimistischen Untertönen, aber zumindest steckt ja ein Sich-nicht-abfinden-Wollen darin.

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