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Jazz, we can: Die jazzahead! 2026 geht voran

Langendorf United spielen bei der jazzahead!
Langendorf United (Magnus Bergstroem)

Bei der jazzahead! in Bremen geht es nur in eine Richtung: nach vorne, in die Zukunft, zu neuen Trends. Götz Bühler, künstlerischer Leiter, kennt letztere genau – und warnt vor der „Jazzpolizei“.

Götz Bühler, die jazzahead! gibt im April bei den Showcases 38 Acts aus 20 Ländern die Chance, sich zu zeigen. Das unterstreicht doch mal wieder die internationale Qualität der Messe und des Jazz, oder?
Die jazzahead! ist im Jubiläumsjahr mehr denn je weltweit die größte – und für viele auch die wichtigste – Veranstaltung für alle, die ihre Jazz-Leidenschaft zum Beruf gemacht haben: von Musiker:innen bis zu denen, die dafür sorgen, dass diese Kreativen ihre Musik auch vor Publikum präsentieren können und sie überhaupt wahrgenommen wird – und gekauft. Agenturen, Management, Labels, Clubs, Venues, Festivals, aber auch Mitglieder diverser Interessenverbände aus über 60 Ländern treffen sich alljährlich im April in Bremen, um neue Entwicklungen zu besprechen, Chancen und Utopien zu verhandeln, die Netzwerke zu stärken und um sich zu vergewissern, dass sie nicht allein sind mit ihren Faszinationen und Herausforderrungen, sondern Teil einer sehr großen, internationalen Gemeinschaft. Die Showcases, ausgewählt von sehr hochkarätig und international besetzten Jurys, sind berühmt und begehrt als Sprungbrett zu einer internationalen Karriere. „If you can make it there, you’re gonna make it anywhere“, in Anlehnung an den Sinatra-Hit über eine andere große Jazz-Metropole.

Götz Bühler ist künstlerischer Leiter der jazzahead!
Götz Bühler Foto: privat

Es gab für die Showcase-Plätze satte 82 Prozent Bewerbungen mehr aus Deutschland und 35 Prozent mehr Bewerbungen insgesamt – woher kommen diese Steigerungen?
Das hat sicherlich zum einen mit der stetig wachsenden Attraktivität unserer über zwanzig Jahre gewachsenen Branchenveranstaltung zu tun. Jede und jeder, der etwas mit Jazz zu tun hat, trifft sich einmal im Jahr bei der jazzahead!. Zum anderen spricht es für eine wachsende Szene, denn weltweit gibt es immer mehr junge Musiker:innen, die Jazz und seine Improvisationsmöglichkeiten als unerreichbar attraktive künstlerische Ausdrucksform leben, als Bekenntnis zu Freiheit und Offenheit in einer Welt, die diese Qualitäten zunehmend einschränkt. Bei aller Einzigartigkeit und Individualität geht es allerdings auch in der Jazz-Welt um Gemeinschaft – und die ist nirgendwo erfahrbarer als bei der jazzahead!. Der Andrang zeigt allerdings auch, in welcher Situation sich die Branche befindet, in der Konzerte wichtiger denn je sind.

Die Showcase-Acts bringen Latin, Hip-Hop, Metal, Funk, Electronica, Singer/Songwriter-Jazz und Experimentelles auf die Bühnen. Das zeigt den progressiven Zugriff der jazzahead!, könnte aber auch konservativere Jazzfans verprellen. Ein Risiko, das ihr eingeht?
Wir sehen es weniger als Risiko denn als Chance. Wer die jazzahead! besucht, vor allem auch als Fan, möchte neue Strömungen entdecken, neue Künstler:innen und Bands erleben. Wenn man ehrlich ist, passt das Adjektiv „konservativ“ nicht mit dem Wort „Jazzfan“ zusammen, weil es bei dieser Musik immer schon um Innovation ging. Die sogenannten Standards waren zum größten Teil reharmonisierte Stücke aus Broadway-Musicals und die Musik an sich, die ja ursprünglich ein sehr originelles Amalgam aus afrikanischen und europäischen Traditionen ist, hat sich immer wieder neu erfunden, wenn neue Einflüsse hinzugekommen sind. Es würde dem Spirit des Jazz nicht entsprechen, nur museal gepflegt zu werden, anstatt aktiver Teil des modernen Musikgeschehens zu sein – und dazu gehört eben, dass moderne Einflüsse ihren Weg in die Musik finden.

Auf welche Künstlerinnen und Künstler freust du dich persönlich am meisten?
Bühler: Das ist fast so, als würde man ein Elternteil nach dem Lieblingskind fragen! Aber ich will es versuchen: mich hat der Drummer Kossi Mawun aus Togo im Februar 2025 im Duo in Dakar begeistert und ich bin sehr gespannt, ob da im Trio bei uns vielleicht sogar noch mehr geht. Die Sängerin und Bassistin Tonina aus den USA finde ich beeindruckend gut, genauso wie die schwedische Ethio-Jazz-Band Langendorf United. Und dann sind da ja noch 35 weitere ausgewählt gute Showcasing-Acts.

Kossi Mawun spielt bei der jazzahead!
Kossi Mawun Foto: Enok Tsevi/Accra Jazz Festival

Du warst in allen Jurys vertreten, die die Showcase-Acts ausgewählt haben, du musst es doch wissen: Was sind die aktuellen Jazztrends 2026?
Erlaubt ist, was gefällt. Ich erkenne weniger stilistische Trends als eine allgemeine Verjüngung der Szene und eine sich ausdehnende Vielfalt. Je mehr Menschen aus unterschiedlichen Kulturen ihren gesellschaftlichen Zusammenhalt in der musikalischen Freiheit des Jazz finden, umso breiter wird der Spannungsbogen dessen, was Jazz sein kann. Hinzu kommt, dass es natürlich viele junge Musiker:innen gibt, die völlig unbelastet von den stilistischen Grabenkämpfen ihrer Vorfahren einfach Spaß an und mit der Musik haben – und für die jazzpolizeilich verpönte Klänge aus Fusion, Jazz-Funk oder Swing völlig neu und spannend klingen. Die Gnade der späten Geburt!

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