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„Je suis Karl“: Regisseur Christian Schwochow im Interview

Christian Schwochow
„Je suis Karl“-Regisseur Christian Schwochow (Foto: André Röhner)

Christian Schwochows neuer Thriller macht aus einer politischen Analogie ein Liebesdrama für Teenager – und das mit voller Absicht.

Mit seinem Politthriller „Je suis Karl“ will Regisseur Christian Schwochow („Deutschstunde“) vorrangig ein junges Publikum erreichen, dementsprechend aufrüttelnd ist das Drehbuch konstruiert: Die 18-jährige Maxi (Luna Wedler) wächst in Berlin in einem liberalen Haushalt auf, ihre Eltern helfen schon mal einem Geflüchteten, heimlich nach Deutschland einzureisen. Ein Bombenanschlag zerstört die Idylle und tötet ihre Mutter und ihre Brüder. Während ihr Vater Alex (Milan Peschel) in der Verzweiflung versinkt, sucht Maxi nach einem Weg aus der Angst. Und trifft den charismatischer Karl (Jannis Niewöhner), Kopf einer jungen, rechten Bewegung, die für ein neues Europa stehen will. Maxi lässt sich mitreißen von der Aufbruchsstimmung – und verliebt sich trotz aller Hassparolen in Karl …

Wir haben mit dem Regisseur über die Neue Rechte, Verführung und die Hoffnung auf die junge Generation gesprochen.

Herr Schwochow, worum geht es in Ihrem neuen Film?

Christian Schwochow: Er erzählt von Verführbarkeit, von Manipulation. Er soll dem Zuschauer die Frage stellen: Wie verführbar bin ich? Wie gefestigt bin ich in meiner Haltung? Er erscheint in einer Zeit, in der die Gesellschaft immer diffuser und undurchschaubarer wird und Begriffe wie links und rechts, mit denen ich noch aufgewachsen bin, für junge Menschen an Bedeutung verlieren. Vor ein paar Jahren haben die Rechten gemerkt, dass Glatzen, Springerstiefel und Baseballschläger nur begrenztes Wachstum ihrer Bewegung ermöglichen. Sie haben sich angeschaut, welche Bewegungen bei jungen Leuten erfolgreich sind, und deren Symbole gekapert und für sich umgedeutet. Das ist etwas, das mir Angst macht, dem ich mich aber in den Weg stellen will.

Also eine Reaktion auf die gegenwärtige Lage?

Schwochow: Noch 2015 haben wir die Arme aufgemacht und „Willkommen!“ gerufen, aber zwölf Monate später gab es plötzlich einen ganz anderen Sound. Die Bildzeitung hetzt wieder gegen „gewalttätige Flüchtlinge“. Auch die Coronakrise hat gezeigt, wie schnell sich Allianzen von verschiedensten Gruppen bilden, denen die Ablehnung des Staates gemein ist. Die Dinge sind sehr viel lauter geworden und schwerer zu durchschauen. Deshalb habe ich diesen Film gemacht, der auch laut ist und die Leute auffordert, genauer hinzuschauen.

Wen wollen Sie mit „Je Susis Karl“ erreichen?

Christian Schwochow: Also erst einmal wollte ich keinen Film machen, der erzieht, sondern trotz der Thematik spannend und unterhaltsam ist. Es ist auch das erste Mal seit meinem Film „Die Unsichtbare“ von 2011, dass ich explizit das junge Publikum einladen möchte, gerade die Leute, die vielleicht sonst nicht so oft ins Kino gehen.

Hat es geklappt?

Schwochow: Ich habe schon ganz tolle Erlebnisse gehabt. Neulich habe ich den Film drei neunten Klassen gezeigt, die danach mit mir darüber geredet haben. Ich war total begeistert und beglückt von den Fragen, die die jungen Leute gestellt haben!

Hätten Sie ein Beispiel parat?

Schwochow: Die haben von sich aus gemerkt, dass Karl die einzige Figur im Film ist, für die man keinen Kontext bekommt. Das zu ermitteln und selbst zu verstehen, warum ich das so gemacht habe, ist beeindruckend. Ein fünfzehnjähriges Mädchen hat gesagt: Ich finde, das ist richtig so, denn Karl wirkt so toll, so attraktiv – wenn ich jetzt wüsste, dass sein Vater ihn geschlagen hat, oder dass er ihn nicht geschlagen hat, würde ich ihn anders beurteilen. Genau das war meine Intention, das hat mich sehr gefreut. Deshalb gehe ich ab September auch jeden Tag mit dem Film in Schulklassen.

Die beiden jungen Hauptdarsteller:innen Luna Wedler und Jannis Niewöhner waren beide die jeweils erste Wahl für ihre Rolle. Was hat Sie so sicher gemacht, dass sie die Richtigen sind?

Schwochow: Ich habe 2017 den Film „Blue my Mind“ mit Luna Wedler gesehen. Seitdem ich sie darin erlebt habe, mit dieser Durchlässigkeit und zugleich dieser Kraft, dieser emotionalen Wucht, ist die Idee dagewesen. Jannis war für mich alternativlos, als ich den Gedanken an Luna hatte.

Gab es jemals die Sorge, dass die Verführung zu gut funktioniert und sich die falschen Leute im Film wiederfinden?

Schwochow: Die Sorge gibt es immer, wenn man so einen Film macht. Aber ich glaube, dass der Film deswegen so stark ist, weil er die Faszination mit diesen Leuten ernst nimmt. Für Nazis ist es immer besser, wenn wir sie von vornherein verurteilen, weil das ihren Opfermythos verstärkt. Diesen Gefallen tut ihnen „Je Susis Karl“ nicht.

Unser Interview mit Hauptdarsteller Jannis Niewöhner gibt es hier.

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