Joachim Meyerhoff: Die Zweisamkeit der Einzelgänger
Joachim Meyerhoff ist ein Meister des Anekdotischen. Das zeigte sich schon in den vorherigen Romanen des hauptberuflichen Burgtheater-Schauspielers, den ersten Teilen der Autobiografie „Alle Toten fliegen hoch“: Die Kindheit als Arztsohn, der Schüleraustausch in Amerika, die Ausbildung zum Schauspieler, all das wirkte wie eine Aneinanderreihung von Schnurren. Ähnlich geht es im vierten Band weiter, in dem Meyerhoff im Beruf angekommen ist: Er tritt in „Die Zweisamkeit der Einzelgänger“ ein Engagement am Theater Bielefeld an, zudem lernt junge Mann die Liebe kennen, und zwar nach Jahren mönchischer Enthaltsamkeit gleich in einer fiebrigen Dreiecksbeziehung.
Was einerseits Gelegenheit zu saftig-grotesken Sexszenen bietet, andererseits zu wunderschönen Theaterkantinen-Gossip – man möchte sofort recherchieren, wer der bemitleidenswerte Kollege war, der Anfang der Neunziger in Bielefeld als Faust scheiterte. (Wir gehen davon aus, dass er den Absprung ans Burgtheater nicht geschafft hat, was Meyerhoff zum etwas unsympathischen Anekdotenerzähler macht.)
Was hinter all dem Gekicher, den Schenkelklopfern und den lustigen Erinnerungen ein wenig im Hintergrund bleibt, ist das Grauen, das Meyerhoff seiner Autobiografie immer eingeschrieben hat. Die vier Bände tragen nicht von ungefähr den Untertitel „Alle Toten fliegen hoch“: Immer wenn besonders laut gelacht wird, lugt der Sensenmann ums Eck und erinnert daran, dass das Leben etwas anderes ist als eine endlose Abfolge von Anekdoten. Man hat ihn gar nicht bemerkt, zu lustig war das Erzählte, nur ein kalter Hauch streifte vorbei, während man lachte über den Schauspieler, der sich beim Rezitieren von Paul Celans „Todesfuge“ (!) verhaspelte. War da was?