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John Grant: Doppelwumms

John Grant - lead shot - Credit, Hörður Sveinsson
(Foto: Hördur Sveinsson)

Natürlich kämpft LGTBQ-Aktivist John Grant gegen das konservative Amerika. Doch was ist mit dem deutschen Kanzler?

John, eigentlich ist „The Art of the Lie“ ein typisches John-Grant-Album, bei dem der dunkle Kern mit Humor und Wortspielereien ummantelt ist. Aber trotz Funkiness und musikalische Opulenz ist die Wahrscheinlichkeit so hoch wie nie zuvor, dass die Hörer:innen verheult aus der Platte auftauchen.

John Grant: Stimmt, aber in Zeiten wie diesen tut einem das doch ganz gut. (lacht)

Mit „Father“, „Mother and Son“ und „Daddy“ sind gleich drei Songs dabei, die dein Aufwachsen als queerer Teenager unter religiösen Fanatikern verarbeiten. Ist dieses Thema jetzt wieder aufgeploppt, nachdem du eigentlich schon deinen Frieden damit gemacht hattest?

Grant: Einerseits liegt das sicher an der politischen Situation. Weil meine ganze Familie im Jahr 2016 Trump gewählt hat, ist das alles wieder in den Vordergrund gerückt. Andererseits ist es wohl auch eine Frage des Alters. Du kannst dir deine eigene Familie suchen und dich der queeren Community zuwenden. Aber es gibt kein Entkommen, irgendwann musst du dich der Auseinandersetzung stellen.

Es ist bewundernswert, wie du dich trotz aller Hoffnungslosigkeit auch mit dieser Platte wieder gegen das konservative Amerika stellst.

Grant: Es gibt so viele Tage, an denen ich nicht mehr weiter weiß. Ich lebe nun seit vielen Jahren in Reykjavík und habe die isländische Staatsbürgerschaft, aber jeden Tag überlege ich, ob ich nicht zurückgehen sollte, um vor Ort zu sein und zu kämpfen. Mit meiner Musik dagegen zu halten, reicht mir nicht mehr. Schon in den 80ern hat Frank Zappa eine christliche Theokratie prophezeit – und da sind wir jetzt angekommen.

Wie würdest du „Twistin Scriptures“ ins Deusche übersetzen? Freie Bibelauslegung?

Grant: Oh, ihr habt so geile Verben im Deutschen. Vielleicht: Bibelverse verzerren. Oder besser noch: Bibelverse verstümmeln.

Bei deiner Liebe zur deutschen Sprache und speziell zur Lautmalerei habe ich ein bisschen Angst, dass du wegen des Doppelwumms jetzt mit Olaf Scholz sympathisierst.

Grant: Das habe ich gar nicht mitbekommen. Was bedeutet „Doppelwumms“?

Och, so hat er nach dem russischen Überfall auf die Ukraine die staatlichen Entlastungen genannt, damit wir trotz steigender Energiepreise durch den Winter kommen.

Grant: (lacht) Okay, sagen wir so: Ich habe ihn jetzt zumindest ein kleines bisschen lieber.

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