Julius Asal über „Scriabin – Scarlatti“: Licht und Schatten
Auf seinem Debütalbum für die Deutsche Grammophon findet Pianist Julius Asal Gemeinsamkeiten zwischen zwei sehr unterschiedlichen Komponisten.
Julius, was hat dich inspiriert, ausgerechnet Skrjabin und Scarlatti auf einem Album zusammenzubringen?
Julius Asal: Ich habe beide Komponisten unabhängig voneinander viel gespielt, sie immer mal wieder in Programme eingearbeitet und manche ihrer Stücke auch oft als Zugaben gespielt. Die Idee, sie auf dem neuen Album zu verbinden, kam ganz natürlich im Arbeitsprozess. Ich habe nicht aktiv danach gesucht. Im Zentrum stand mein Wunsch, Skrjabins erste Klaviersonate aufzunehmen, die mir sehr am Herzen liegt. Dann hat sich Scarlattis Musik gemeinsam mit einigen Miniaturen von Skrjabin wie ein Teppich darumgruppiert.
Auf den ersten Blick scheinen die beiden nichts gemeinsam zu haben: Hier ein Italiener des Barock, dort ein russischer Komponist, der noch das 20. Jahrhundert erlebt hat.
Asal: Skrjabin und Scarlatti sind natürlich wahnsinnig unterschiedlich, aber nicht in jeder Hinsicht. Bei beiden Komponisten gibt es so viele verschiedene Ebenen, dass es für mich interessant war, herauszufinden, wo sie sich dann eben doch ähneln oder letztendlich ergänzen. Da handelt es sich um keine echten Ähnlichkeiten – auch deshalb, weil etliche Jahre dazwischen liegen. Aber es geht ja immer auch um das Hier und Jetzt. Es ist eine Gratwanderung: der Zeit des Komponisten und seinen Ideen gerecht zu werden und die Musik trotzdem zeitgemäß in unseren Puls einzubauen. Die Idee war, etwas zu schaffen, wo beide zueinanderfinden und im heutigen Kontext etwas Drittes entsteht.
Du verbindest die Stücke mit eigenen Improvisationen. Wolltest du klanglich eine Brücke zwischen beiden Komponisten herstellen?
Asal: Ich kann nicht genau sagen, warum sie so klingen, wie sie klingen. Es ist etwas sehr Unterbewusstes gewesen. Das schätze ich so am Improvisieren: dass man es nicht greifen kann und es einfach passiert. Ich habe allerdings schon bewusst Themen von Skrjabin und Scarlatti eingeflochten.
Ist es dir dabei auch darum gegangen, zu beweisen, dass Klassik auch für moderne Ohren interessant sein kann?
Asal: Nicht zwangsläufig, aber ich glaube, es ist gerade heutzutage wichtig, zu vermitteln, warum klassische Musik, die schon etliche Male gespielt und vor Ewigkeiten geschrieben wurde, immer noch eine Relevanz hat. Musik ist ungreifbar, entsteht jedes Mal im Moment neu und ist damit auf bestimmten Ebenen auch unabhängig vom ursprünglichen Zeitpunkt ihrer Niederschrift.
Was bedeutet dir Skrjabin persönlich?
Asal: Bei Skrjabin finde ich eine extreme Finsternis sehr allgegenwärtig. Da gibt es auch andere Beispiele, etwa habe ich das immer wieder bei Schubert empfunden, dass selbst heitere und gelöste Stücke eine Melancholie in sich tragen. Das ist bei Scarlatti ganz anders, seine Musik ist oft euphorisch und unbeschwert. Aber ich habe versucht, Stücke von ihm zu finden, bei denen dann doch eine vermeintliche Gemeinsamkeit mit Skrjabins Tiefen entsteht.
Ist diese Unbeschwertheit ein Grund, warum Scarlatti im Vergleich zu Zeitgenossen wie Bach manchmal unterschätzt wird?
Asal: Und weil die Form, in der Scarlatti komponiert hat, nicht an die Form dessen herankommt, was Bach an Monumentalem hinterlassen hat. Ich glaube, dass Scarlatti nicht unterschätzt, aber oft einfach sehr beiläufig behandelt wird. Dabei ist es total spannend, wie revolutionär er war, etwa harmonisch, rhythmisch, und wie er das in seine Struktur, diese Kurzform, integriert hat. Seine Sonaten sind ja immer zweiteilig, und jeder Teil wird einmal wiederholt. Viele lassen außen vor, was in Wiederholungen möglich ist. Das verstehe ich gar nicht, denn die Möglichkeit, etwas erneut und dann anders zu sagen, ist etwas Wunderbares.
Wie waren die Aufnahmen im Studio konkret?
Asal: Im Tonstudio zu sein, ist eine Grenzerfahrung, aber ich genieße sie sehr. Es ist eine Diskrepanz: Man arbeitet im kleinsten Detail, kann alles nochmal und nochmal aufnehmen, und sucht dennoch den großen Bogen des Livemoments, den man auf der Bühne erlebt. Es ist interessant, wie man sich dazwischen bewegt. Am Ende hat man hoffentlich gesagt, was man sagen wollte, ist aber auch am Ende seiner Kräfte.