„Fearless Movement“ von Kamasi Washington: Grund zum Tanzen
Der große Mystiker des Jazz ist auf dem Boden gelandet. Dabei hat ihm auch die Geburt seiner Tochter geholfen.
Es ist gar nicht so einfach, sich Kamasi Washington beim Tanzen vorzustellen. Natürlich hat der Saxofonist und Bandleader Rhythmus im Blut, und auch auf der Bühne groovt er ordentlich mit. Dennoch wirkt er dort immer auch wie ein Ruhepol, das Auge des Sturms, den seine Band um ihn herum entfesselt. Auch auf seinen Albumcovern steht er gern in der Mitte des Bildes und blickt standhaft in die Kamera. Und dennoch steht bei „Fearless Movement“, seinem fünften Album, der Tanz im Zentrum. Allerdings betont der Musiker, dass es sich hier eher um eine Metapher handelt: „Tanz ist Bewegung und Ausdruck, und in gewisser Weise ist es das Gleiche wie Musik – man drückt seinen Geist durch seinen Körper aus. Das ist es, was dieses Album antreibt.“
Musikalisch bedeutet das vor allem mehr Flexibilität und Leichtfüßigkeit. Auf Alben wie „The Epic“ und „Heaven and Earth“, die ihren Titeln mehr als gerecht geworden sind, hat sich Washington einen Namen für orchesterverbrämten Breitwand-Jazz mit Überlänge gemacht. „Fearless Movement“ ist zwar nicht unbedingt kürzer oder kleiner als die Vorgänger, doch der Fokus liegt woanders – was auch die Nähe zu HipHop und Funk deutlich macht. Bei „Asha the First“ ist das Rapduo Coast Contra dabei, neben Washingtons altem Freund Thundercat, während ihn bei „Get lit“ nicht nur der Rapper D Smoke, sondern auch Funklegende George Clinton unterstützen. Das geht in die Beine und sorgt zugleich für eine neue Intimität. Auf „Dream State“ ist dann wiederum André 3000 als Gast zu hören, allerdings nicht als Rapper, sondern als der Flötist, den wir seit seinem Soloalbum „New blue Sun“ von letztem Jahr kennen.
Was hat Washington von den Orchestern weg zu einem beweglicheren Sound gebracht? Ganz klar ist das nicht, aber die Vaterschaft könnte eine Rolle gespielt haben. Natürlich geht die an einem Mystiker wie Washington nicht spurlos vorüber. „Vater zu sein bedeutet, dass der Horizont deines Lebens plötzlich auftaucht“, sagt er. „Meine Sterblichkeit wurde mir bewusster, aber auch meine Unsterblichkeit.“ Tatsächlich basiert „Asha the First“ auf einer Melodie, die sich seine Tochter Akili als Zweijährige auf dem Klavier ausgedacht hat.
Nach diesen explosiven Anfängen wird die zweite Hälfte des Albums ruhiger, beginnend mit dem atmosphärischen „Interstellar Peace“ und dem ausufernden „Road to Self“, dem längsten Track des Albums. Doch die Frische, die „Fearless Movement“ durchzieht, verschwindet auch hier nicht. Am Ende wird es dann noch einmal besonders intensiv: Rhythmen überschlagen sich, Washington bringt sein Tenorsaxofon zum Kreischen. Und wie um klarzumachen, dass das alles erst der Anfang ist, hat er den Closer „Prologue“ genannt.