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Keimzeit: Zufrieden und satt

Keimzeit Bernd Brundert
(Bild: Bernd Brundert)

Norbert Leisegang von Keimzeit glaubt, keine guten Songs mehr zu schreiben. Aber er blickt wohlwollend auf die Brüche in seiner Karriere zurück.

Keimzeit im Interview zu „Von Singapur nach Feuerland“

Norbert, mit „Von Singapur nach Feuerland“ ist zuletzt ein Best-of-Album von Keimzeit erschienen, das über vier Jahrzehnte zusammenfasst. Überwiegt da der Stolz oder der Schreck über die sich verflüchtigte Zeit?

Norbert Leisegang: Weder noch. Es ist lediglich eine Stippvisite, die uns am Herzen liegt. Das Auswählen der Songs fürs Best-of-Album hat großen Spaß gemacht. Das war wie das Anschauen alter Fotografien.

Du kommst aus der DDR und hast mit Keimzeit sowohl vor als auch zur Wendezeit Konzerte gespielt. Ihr seid immer wieder angeeckt, und kurzzeitig wurde euch sogar die Spielerlaubnis entzogen.

Leisegang: Was ich in den Achtzigern gelernt habe: Es gab für viele Bands aus dieser Zeit einen klar benennbaren „Gegner“ – und zwar das staatliche System nebst seiner Kulturfunktionäre. Dagegen konnte man anschreiben, ansingen oder anschreien. In einem demokratischen System, welches Marktwirtschaft genannt wird, ist vieles undurchschaubar und extrem verschleiert, sodass es weit schwieriger ist, Gut und Böse zu unterscheiden. Wohlgleich ich hinzufügen muss, dass Keimzeit in den 80er-Jahren keine Aufrührerband gewesen sind. Dazu haben eher Die Skeptiker oder Feeling B gezählt.

1998 habt ihr euch mit dem Album „Im elektromagnetischen Feld“ vom klassischen Rock und Blues entfernt. Das hat deiner Angabe zufolge bis zu drei Viertel des Publikums vergrault.

Leisegang: „Im elektromagnetischen Feld“ war in der Tat ein Bruchalbum. Das haben wir allerdings erst nach der Veröffentlichung festgestellt. Ein Bruchalbum in doppelter Hinsicht: Zum einen hat sich die Band und darüber hinaus unser Publikum gespalten. Ein Desaster. Aber mal ehrlich, welche Band kommt ohne Brüche über die Runden? Brüche prägen uns und sind aus meiner Sicht lebensnotwendig.

Kürzlich hast du in einem Interview gesagt, dass es für kreative Menschen immer gut sei, wenn sie viele Probleme haben. Da klingt fast so, als seist du heute satt, zufrieden und uninspiriert.

Leisegang: Die Inspiration ist glücklicherweise bis dato nicht ausgeblieben. Hingegen bin ich heute tatsächlich satt und zufrieden. Genau aus diesem Grund gelingt es mir nicht mehr wirklich, gute Songs zu schreiben. Doch keine Angst, dadurch geht die Welt nicht unter. Die aktuellen großen Stücke werden durch meine hungrigen Kollegen verfasst.

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