Ernüchterung für den Deutschen Kinomittelstand
Große Summen sind bereits in diverse Hilfsprogramme zur Rettung deutscher Kinos geflossen. Weshalb Kinobetreiber dennoch um ihre Existenz bangen, beantwortet uns Kim Ludolf Koch, Geschäftsführer der Cineplex-Gruppe und Initiator des Offenen Briefs an Kulturministerin Monika Grütters.
Mitte März mussten die Kinos in Deutschland schließen, und auch nach den ersten Lockerungen der Hygienevorschriften läuft der Betrieb nur sehr zögerlich an. Wie es in den nächsten Monaten weitergeht, ist ungewiss. Die Zeit drängt, meist sind es nur wenige Wochen, die über das Bestehen vieler Filmtheater entscheiden – verheerende Konsequenzen für die Kinos, genau so aber auch für die Kulturlandschaft der gesamten Bundesrepublik.
Klare Forderungen an Monika Grütters
68 familiengeführte Betriebe der Branche haben sich zusammengeschlossen, um in einem Offenen Brief klare Forderungen an die CDU-Politikerin zu stellen. Sie verlangen eine kurzfristige finanzielle Unterstützung, eine Verlängerung des Auswertungsfensters sowie einen Kinogipfel, um gemeinsam an Lösungen arbeiten. Grütters reagiert bereits wenige Stunden nach Veröffentlichung des Briefes mit einer Pressemitteilung auf das Schreiben. In der Erklärung eines Sprechers der Kulturstaatsministerin richtet sich das Augenmerk auf bereits beschlossene Maßnahmen zur Unterstützung der Kinobranche. Zur Sprache kommen dabei die Hilfsmaßnahmen Zukunftsporgramm I und II, die die Bezuschussung von Investitionen kleinerer und mittelständischer Kinos vorsieht. Auf die Forderungen des Briefes vom 5. 8. wird dabei nur oberflächlich eingegangen – Ernüchterung für die Verfasser, die sich in ihrem Anliegen übergangen fühlen.
Wir haben mit dem Geschäftsführer der Cineplex-Gruppe und Initiator des Offenen Briefs, Kim Ludolf Koch, gesprochen und nach seiner Einschätzung gegenüber der gebotenen Hilfsmaßnahmen gefragt.
Herr Koch, was denken Sie über die beschlossenen Hilfsprogramme der Bundesregierung, reichen die genannten Maßnahmen aus?
Koch: Leider reichen die genannten Maßnahmen nicht aus. Denn es ist ja nicht so, dass wir die bisher von ihr verantworteten Maßnahmen nicht kannten und sie uns jetzt darauf aufmerksam machen musste. Um es vorsichtig zu sagen, sind die Maßnahmen relativ unbrauchbar für die vordringlichen Probleme. Die Kinos haben Fixkosten, die liegen zwischen 5 und 6 Euro pro Besucher, und wenn die Besucher fehlen, dann entstehen diese Fixkosten trotzdem. Was wir brauchen ist eine Überlebenshilfe – und um die haben wir gebeten. Uns helfen keine Darlehen und Investitionszuschüsse, sondern wir brauchen eigentlich eine Erstattung der uns entstandenen Kosten, die wir nicht durch eine Nachholung des Geschäftes wieder erwirtschaften können.
Wie schnell könnten aus Ihrer Sicht gesetzliche Regelungen hinsichtlich des Auswertungsfensters in Kraft treten, beziehungsweise, was ist Ihre zeitliche Vorgabe dafür?
Koch: Wenn die Filmpolitik anerkennt, dass es für die deutschen Kinos eine wesentliche Voraussetzung zum Überleben ist, dass das Geschäftsmodell auch durch das Auswertungsfenster geschützt wird, dann ist auch für den deutschen Film die Grundlage zu existieren deutlich größer, als wenn nur die deutschen Filme mit einem Fenster versehen werden. Wenn den Kinos die Geschäftsgrundlage entzogen wird, weil das Fenster reduziert wird, dann wird ein großer Teil der Kinos nicht überleben und auch gar nicht mehr zur Auswertung deutscher Filme zur Verfügung stehen. Das Auswertungsfenster ist sicherlich etwas, das nicht ohne weiteres kurzfristig geändert werden kann. Hier geht es zunächst einmal darum, einen politischen Willen seitens der Politik zu formulieren. Die Politik greift in ganz vielen Lebensbereichen auch in Geschäftsmodelle ein und bestimmt Auflagen zum Schutz von bestimmten Industrien oder Branchen. In sofern wüsste ich jetzt nicht, wieso eine Sperrfristenregelung, die im Gesetz verankert ist, nicht auch zu Gunsten der deutschen Filmwirtschaft etabliert wird.
Im schlimmsten Fall: Was wäre die Konsequenz, wenn die Politik den Kulturbereich Kino weiter zu wenig unterstützt?
Koch: Man muss das einfach sehen: Welche Folgewirkungen hat das, wenn jetzt ein Kinosterben einsetzt? Sei es, weil das Geld ausgeht oder weil das Geschäftsmodell zu Lasten des Kinos geändert wird. Es wird Kinoschließungen geben, auch auf dem Land, wo damit auch der letzte Kulturträger wegbricht. Genau so in Großstädten, in denen gut funktionierende Kinos geschlossen werden: Die Gastronomie, der Handel, die ganze urbane Lebensqualität sowie die Publikumsfrequenz wird rückläufig sein.