Die Trüffelschweinchen von der Elbe: Klangkosmos Hamburg 2025

Jetzt erst recht! Trotz Klub- und Festival-Sterben gründen Wiebke Kruse und Sebastian Król ein neues Klub-Festival. Ihr Ziel: Die Hamburger Szene feiern und vernetzen. Aber welche Szene meinen sie eigentlich genau?
Wiebke, Sebastian, beim Klangkosmos Hamburg nehmt ihr gewissermaßen eine Doppelrolle ein: Ihr seid Teil des Line-ups und gleichzeitig Veranstalter:innen. Ist das von Vorteil?
Wiebke Kruse: Wir wissen, was die Artists im Backstage glücklich macht. Und es ist wirklich einfach, Musiker:innen glücklich zu machen. Die sind in der Regel schon mit sehr wenig zufrieden. (lacht) Klingt profan, aber manchmal mangelt es schon an einer klaren Ansage und ner kalten Cola.
Sebastian Król: Fürs Klangkosmos ist es Markenzeichen, Artists first zu denken. Das ganze Konzept ist aus der Idee gewachsen, lokalen Bands ein cooles Format zu bieten, das kein Risiko birgt. Dem ist alles untergeordnet.
Kruse: Wir sind auch einfach wahnsinnig gerne Fans. Und irgendwann kümmere ich mich dann auch um meinen eigenen Auftritt.
Eingedenk des desolaten Zustandes der Klub- und Festival-Landschaft ist es schon mutig, ausgerechnet jetzt ein neues Klub-Festival zu gründen.
Król: Wir werden allerdings auch vom Musikstadtfond gefördert. Uns fehlen leider die reichen Eltern. (lacht) Die Szene hat einfach einen großen Bedarf nach Vernetzung und Liveshows. Als ich nach Hamburg gekommen bin, konnte ich noch an jeder Ecke für kleine geteilte Gagen spielen. Heute musst du selbst Geld in die Hand nehmen. Es gibt kaum noch Klubs, die es sich erlauben können, mit einem Konzert Miese zu machen.
Kruse: Und dieser desolate Zustand erzeugt ein: jetzt erst recht!
Król: Wir wollen zelebrieren, was wir drauf haben. Der Klangkosmos versteht sich zwar nicht als Newcomer-Festival, aber als Trüffelschweinchen: Qualität first.
„Ich bin der Überzeugung, dass Klubs demokratiefördernd sind.“
Ihr hättet aber auch auf eine Wiese gehen können.
Kruse: Ich bin wirklich der Überzeugung, dass Klubs als positive Orte demokratiefördernd sind. Und die Hebebühne, das Knust und der Nochtspeicher, also die drei Klubs, in denen das Festival stattfindet, sind Räume, die wir bewusst gewählt haben. Unser Festival soll in die Hamburger Institutionen reingehen.
Król: Wir würden jetzt nicht in Off-Locations gehen und eine Kirche bespielen. Wir wollen explizit Klubs stärken – und die Szene repräsentieren.
Gibt es denn noch so etwas wie eine Hamburger Szene? Ist die nicht mit der Hamburger Schule und den goldenen HipHop-Jahren gestorben?
Kruse: Also ich könnte meine Musik, die super analog ist, nirgendwo anders machen als in Hamburg. Rein fürs Recording. Da ist Hamburg total schön – und ein Dorf. Da heute allerdings teilweise nur noch Singles veröffentlicht werden, könnte es für Liveshows ein besseres Netzwerk geben. Also, dass sich Artists mit erst einigen Singles einfach eine Bühne teilen. Genau da kann der Klangkosmos ansetzen.
Król: Hamburg hat auf jeden Fall sehr gut funktionierende Strukturen, wenn es um Förderungen geht. Das hat jetzt nicht viel mit einer Szene im engeren Sinne zu tun, aber man kennt sich. Neulich war ich in der Schweiz, da ist das noch extremer. Da sind dann wirklich Gruppen von Bands in einer Indiebubble. Jeder kennt jeden und die Gruppe gibt den Sound vor.
Kruse: Ist in Wien ähnlich.
Dann macht ihr die Hamburger Szene also einfach wieder sichtbar.
Król: Wir wollen so etwas wie Meilenstein-Bühnen bieten: erst Klangkosmos, dann Reeperbahnfestival und immer so weiter. Auf Erlebbares für die Artists setzen – und eben nicht auf den TikTok-Hit.
Kruse: Für lokale Musiker:innen wird es auch vergünstigte Tickets geben. Alle sollen kommen, sich austauschen, der Frage nachgehen: Wie klingt Hamburg? Wir wollen ja auch neue Bands kennenlernen. Die können sich einfach bei uns melden und kriegen Rabatt-Codes.
Król: Und im Idealfall lernst du bei uns als Fan nicht nur neue Musik, sondern auch noch neue Freund:innen kennen.
Euer Line-up hält, was der Festivaltitel verspricht. Der Klangkosmos ist jedenfalls kein Macker-Festival.
Kruse: Dringender Weise wird sich darüber beschwert, dass viele Festivals immer noch viel zu männlich sind. Wie super ist es bitte, jetzt ein Gegengewicht zu liefern? Die Sichtbarkeit braucht es, damit sich im besten Fall andere daran ein Beispiel nehmen.
Król: Zumal die drei Abende auch noch mal in sich für eigene Sounds stehen. Wir möchten möglichst viel abdecken, aber ohne Dogma. Die ersten Band-Bestätigungen haben dann die Ausrichtung des jeweiligen Abends vorgegeben.
Kruse: Und für nächstes Jahr fänd’ ich einen Girlpunk-Abend noch richtig gut. (lacht)