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Klaviatur der Gefühle: Jamila Woods im Interview zu „Water made us“

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(Foto: Elizabeth De La Piedra)

Warum ausgerechnet die Aktivistin Jamila Woods das überzeugendste Liebesalbum seit langer Zeit vorlegt? Die Soulmusikerin aus Chicago scheitert in den richtigen Momenten.

Jamila, im Lockdown hast du dich selbst herausgefordert, indem du so viele Songs wie möglich geschrieben hast. Hat es dich überrascht, dass die meisten um Liebe und Beziehungen gekreist sind?

Jamila Woods: Es hat sich nicht gut angefühlt, weil ich für diese Stücke keinen Rahmen oder ein System gehabt habe. „Heavn“ hat die Rolle einer schwarzen Frau in einer weißen Gesellschaft thematisiert, und bei „Legacy! Legacy!“ waren die Songs nach schwarzen Ikonen aus Musik, Kunst und Literatur benannt. Hier aber hat mir die Richtung gefehlt.

Warum brauchst du so unbedingt ein Konzept?

Woods: Schon in der Schule wollte ich immer Verbindungen zwischen den einzelnen Inhalten herstellen. Das eigene Staunen ist für mich als Künstlerin natürlich wichtig, ich will schon raus aus meiner Komfortzone. Aber zugleich will ich dann auch die Fäden in die Hand nehmen und Zusammenhänge herstellen. Mit der Idee, den Verlauf einer Beziehung und ihre verschiedenen Stadien nachzuzeichnen, war dann alles gut.

Hast du auch gezögert, weil es zu persönlich werden könnte?

Woods: Witzigerweise kamen die mulmigen Gefühle erst, als das Album schon fast fertig war. Plötzlich hat mir das Schutzschild gefehlt. Auch meine anderen Alben waren extrem persönlich, nur war das durch die Metaebene eben nicht so offensichtlich. Letztlich hat mir geholfen, dass ich diesen Schritt auch schon mit meinen Gedichten und den Auftritten bei Poetry Slams gegangen bin. Anfangs waren meine Texte sehr codiert und voller Metaphern. Auch meine Eltern sind ja zu diesen Veranstaltungen gekommen, und sie sollten auf keinen Fall wissen, was mich da in diesen Gedichten umtreibt. Erst nach und nach habe ich gelernt, wie viel Kraft es mir gibt, Verletzlichkeit zuzulassen und bestimmte Dinge auch ganz direkt auszusprechen.

Musstest du dich vor dir selbst rechtfertigen, dass es in politischen Zeiten wie diesen okay ist, über die Liebe zu schreiben?

Woods: Klar, aber ich habe sehr schnell erkannt, dass es bei dieser Frage nicht um mich, sondern um imaginierte Erwartungshaltungen geht. Ich setze mich ständig mit Beziehungsfragen auseinander und lese Bücher, in denen es um die Liebe geht. Wir alle kreisen doch um dieses grundlegende Thema. Der Dichter und Essayist Hanif Abdurrahqib hat großartige Texte dazu verfasst, dass bestimmte Themen nicht wertiger sind als andere. Gerade für Autor:innen aus marginalisierten Communities ist es wichtig, über Freude, Liebe und Dankbarkeit zu schreiben. Wir sollten auch die Dinge thematisieren, die uns tragen und stützen – und nicht nur die, die uns unterdrücken.

Die große Herausforderung ist nur, ob man dem Thema bei dieser unglaublichen Masse an Liebesliedern noch etwas Neues hinzufügen kann.

Woods: Ich habe mich an meine Poesielehrerin an der Highschool erinnert, die uns auch schon vor dieser Gefahr gewarnt hat: Je spezifischer ihr das macht, desto geringer die Gefahr, dass es sich anfühlt, als gebe es das schon. Denkt immer daran, dass keine Liebe exakt wie eure ist und jedes Herz ein bisschen anders fühlt. Deshalb bin ich immer von ganz konkreten Beobachtungen und Gesprächen ausgegangen, wenn ich meine Verhaltensmuster in Beziehungen untersuche. Nur setzt „Water made us“ ja mit Stücken ein, in denen erste Unstimmigkeiten auftreten. Ich bin so verliebt, und ich mag dich so sehr: An einem Song mit dieser Thematik bin ich gescheitert. (lacht) Dem konnte ich nichts mehr hinzufügen.

Also stimmt das Klischee, dass traurige Songs und Trennungsschmerz leichter sind?

Woods: Sie sind interessanter, aber nicht leichter. Ich schreibe ja nicht nur, um Traurigkeit oder Schmerz zu verarbeiten. Nach all den Lyrikkursen mit Schreibübungen zu gewöhnlichen Dingen geht mir auch die „Ode an meine Wasserflasche“ relativ leicht von der Hand. Bleibt nur immer noch die Frage, ob das nicht langweilig ist.

Wir können nur immer wieder kopfüber ins Wasser springen und unser Herz überantworten. Was dann passiert, lässt sich nicht vorhersehen.

Bei dem vertonten Gedicht „I miss all my Exes“ gelingt es dir, nur die guten Erinnerungen zuzulassen.

Woods: Das habe ich nach meiner bisher längsten Beziehung geschrieben. Es hat mich zermürbt und deprimiert, dass nach sieben Jahren so ziemlich jeder Ort mit Erinnerungen verseucht gewesen ist. Aber wie aus dem Nichts ist dann plötzlich auch wieder ein schöner Moment aus der Vergangenheit aufgetaucht. (lacht) Eigentlich uncool, aber es ist wirklich befreiend, die schlechten Dinge abzustreifen, und diesen Kippmoment wollte ich mit dem Gedicht feiern.

Glaubst du, wir lernen aus Beziehungen und überwinden irgendwann unsere Verhaltensmuster?

Woods: An eine kontinuierliche Verbesserung glaube ich natürlich nicht. Wenn wir unsere Verhaltensmuster trotz schlechter Erfahrungen wiederholen, ist das eben Teil des immer noch nicht abgeschlossenen Lernprozesses. (lacht) Ein bisschen anders ist es ja meist schon, und wir dürfen mit der Erforschung nicht nachlassen, was hinter diesen Mustern liegt. Dieses Album zu machen, hat mir jetzt auch nicht wirklich geholfen, aber es ist eine ständige Mahnung, achtsam zu sein und mich selbst zu hinterfragen.

Dazu passt ja auch „Headfirst“ als Albumabschluss.

Woods: Genau, es gibt so viele sich widersprechende Ratschläge. Wichtig ist vor allem, dass wir uns nach schlechten Erfahrungen nicht grundsätzlich entmutigen lassen und resignieren. Wir können nur immer wieder kopfüber ins Wasser springen und unser Herz überantworten. Was dann passiert, lässt sich nicht vorhersehen.

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