Lasse Winkler alias Acud im Interview zu „Verdammt nochmal“
Beim Einkaufen im Supermarkt zweifelt Lasse Winkler alias Acud schon mal am Punk. Hilft dagegen bewusste Sinnentleerung?
Lasse, du kommst gerade aus Theaterproben. Woran arbeitest du?
Lasse Winkler: Zum ersten Mal produziere ich Theatermusik in Berlin. Krasser Stoff: Da geht’s um Euthanasie von Kranken und Behinderten im Nazireich. Für mich ist Theater aber kein ganz neuer Ort. Ich habe meine Kindheit quasi in der Theaterkantine verbracht, denn meine Mutter ist Schauspielerin.
Du arbeitest auch noch als bildender Künstler, Labelbetreiber und veröffentlicht jetzt mit deinem Technoprojekt Acud das Debütalbum. Ist dir das alles manchmal zu viel?
Winkler: Es gab diese Momente. Somit hab’ ich auch kurz vorm Diplom mein Kunststudium in Leipzig abgebrochen. Nichtsdestotrotz verschmelzen die verschiedenen Kunstausrichtungen total bei mir – nichts ist umsonst! (lacht)
Deine minimalistischen Texte entstehen immer intuitiv, und manchmal bleiben die Demo-Lyrics einfach drauf. Was spricht gegen das Schreiben?
Winkler: Eigentlich schreibe ich sehr gerne. Unter meinem bürgerlichen Namen veröffentliche ich tatsächlich auch noch Poesie. Aber bei Acud nutze ich Worte eher als Materie. Klang schlägt Inhalt: eine bewusste Sinnentleerung – und dennoch ist es nie beliebig. Ohne zu behaupten, dass ich mit den Acud-Texten auf irgendeinen Punkt kommen will. (lacht)
Den Song „Kein Halten“ verstehe ich als eine Aufforderung zum Machen.
Winkler: Die Zeile „Leben kann man nicht verwalten“ ist auch ein Appell an mich selbst. Ich bin gerade Vater geworden, und dieses Verwalten des Lebens bricht sich bei so vielen anderen Eltern in meinem Umfeld Bahn. Es wird eine Höhle gebaut und verwaltet, was man besitzt. Besitz im Allgemeinen wird immer wichtiger. Demgegenüber habe ich einfach eine krasse Antihaltung. Das ist natürlich auch ein Kampf.
Auf „Schnabelgaul“ skizziert du eine Elektroszene als Gegenentwurf. Ist das denn überhaupt noch so? Ist nicht selbst das Raven zur Marke geworden?
Winkler: Techno ist schon lange kein Gegenentwurf mehr. Selbst beim Shoppen im Supermarkt wird dir irgendein Alle-Farben-Song reingespielt. Aber ich habe Techno als krasse Punk-Kultur kennengelernt: Wir sind überall eingestiegen. Dieser Drang nach Punk, nach dem Knarzen, nach der Sägezahnwelle, die einem in die Birne bügelt, ist nach wie vor da.