Leon Vynehall: Warum stehen hier überhaupt Sessel?
Leon Vynehall kehrt mit seinem neuen Album „Rare, forever“ auf die Tanzfläche zurück – um sich selbst zu therapieren.
Leon, deine neue Platte „Rare, forever“ ist wieder ein perfektes Album für die Tanzfläche. Nur sollten da zugleich auch ein paar gemütliche Sessel rumstehen, oder?
Leon Vynehall: Eine interessante und zugleich etwas skurrile Vorstellung. Aber irgendwie fängt sie meine Platte auch ziemlich gut ein: Ich beziehe mich wieder auf Clubmusik, ohne dabei ausschließlich funktional vorzugehen. Wann immer es in Richtung Tanzfläche geht, setze ich auf das hypnotische Element von Techno. Damit locke ich die Hörenden an, um dann nach links abzubiegen oder die Dynamik zu intensivieren.
War da bei dir auch Angst im Spiel, mit den neuen Stücken das eigene Seelenleben zu erkunden?
Vynehall: Angst nicht, aber mitunter wurde es schon ein bisschen unangenehm, sich auf bestimmte Prozesse einzulassen und mir dabei Dinge einzugestehen, die ich vorher nicht bedacht hatte. Ich sollte, ich könnte, ich würde: Das war stets mein Mantra bei dieser Platte. Die vermeintlichen Erwartungen anderer und meine eigenen Neigungen – es kann sehr verwirrend sein, wenn man rausfinden will, ob es da Widersprüche gibt oder es sich ineinander fügt.
Mit dem vorigen Album „Nothing is still“ hast du die Geschichte deiner Großeltern erzählt. Das war ein wahnsinnig ambitioniertes Projekt, bei dem du dich für die Musik an einer vorher entstandenen Novelle orientiert hast. Hast du dich für „Rare, forever“ selbst abgebildet und etwa Fotos gemacht, bevor du dich an das Komponieren der Stücke gesetzt hast?
Vynehall: Nein, denn hier ging es mir ja gerade um Momentaufnahmen. Bisher habe ich mit meiner Musik immer zurückgeblickt, aber dieses Mal wollte ich das Jetzt abbilden. Am Anfang stand immer der freie Ausdruck. Mein unmittelbares Bedürfnis war der Rahmen, den ich dann ausgefüllt habe. In gewisser Weise ähnelt das schon fast einer Therapie.
Viele Musiker*innen behaupten ja, dass optimistische Stücke besonders schwierig sind. Wie ist es dir mit der Single „An Exhale“ ergangen?
Vynehall: Ich würde da schon zustimmen. Bei optimistischen Songs fühle ich mich oft ein bisschen unbehaglich. Auch bei „An Exhale“ war lange Zeit nicht klar, ob ich das Stück auf’s Album nehme: Ich habe es mehrere Male von der Tracklist gestrichen. Aber für die Dynamik des Albums brauchte ich einen Moment des Loslassens. Also habe ich es eine Weile beiseite gelegt und dann versucht, mich wieder anzunähern, indem ich mich an den Impuls im Moment des Schreibens erinnert habe. Was sich ausgezahlt hat: Mittlerweile zählt „An Exhale“ zu meinen Lieblingen vom neuen Album.