Leonie Benesch in „Heldin“: „Völlig außer Kontrolle“

Petra Volpe hat mit „Heldin“ einen intensiven Film über die Arbeit überforderter Pflegekräfte gedreht. Hauptdarstellerin Leonie Benesch im Interview: „Sie scheitern an der Realität“.
Frau Benesch, danke für den Film „Heldin“ (Hier die Rezension zum Film). Ich fühlte mich nach den anderthalb Stunden im Kino so erschöpft, als ob ich die Achtstundenschicht mit Ihnen im Krankenhaus verbracht hätte …
Leonie Benesch: Perfekt! Dann hat Regisseurin Petra Volpe ihr Ziel erreicht. Sie wollte, dass man
den Eindruck bekommt, man hätte dort auf Station mitgearbeitet.
Die Intensität ist beeindruckend.
Leonie Benesch: Es gibt ein Buch „Unser Beruf ist nicht das Problem. Es sind die Umstände“ von Madeleine Winter, von dem Petra Volpe die Inspiration für „Heldin“ gezogen hat. Dort gibt es ein Kapitel, wo eine Schicht völlig außer Kontrolle gerät. Hier hat Petra auch einige Handlungsstränge entliehen.
Wie ist es Ihnen gelungen, diese Anspannung und den zunehmenden Druck zu spielen und während der gedamten Dreharbeiten aufrechtzuerhalten?
Benesch: Das ist eine Frage, wie man sich den Bogen der Rolle vorher aufgebaut hat. Einer motivierten und gut gelaunten Person beim Scheitern an der Realität zuzusehen, aus dem einfachen Grund, dass jemand fehlt, der helfen könnte. Die Spannung entsteht zu einem Großteil auch dank der Arbeit unseres hervorragenden Editors Hansjörg Weissbrich.
Sie haben sich sicher im Vorfeld intensiv mit Pflegekräften ausgetauscht.
Benesch: Ich hatte das Glück, von den Vorrecherchen von Regisseurin und Drehbuchautorin Petra Volpe profitieren zu können, die bereits Gespräche mit Pflegekräften geführt hatte. Ich selbst durfte dann im Dezember 2023 in einem Krankenhaus in Basel eine Woche bei den Schichten dort mitlaufen und begleiten.
Hatten Sie zu Kamerafrau Judith Kaufmann ein besonderes Verhältnis beim Dreh? Die Kamera sitzt Ihnen ja förmlich auf der Schulter und begleitet sie auf Schritt und Tritt.
Benesch: Auf jeden Fall. Judith und ich kennen uns vom Film „Das Lehrerzimmer“, uns verbindet eine Freundschaft. Es gibt am Anfang des Films eine recht lange Plansequenz, in der wir Floria von einem Raum in den anderen folgen, und auf dem Weg begegnet sie ständig anderen Figuren und Problemen, das haben wir viel geprobt. Uns war es wichtig, zu Beginn zu signalisieren, dass hier der Tanz noch ununterbrochen ist. Das bricht dann im Laufe der Schicht immer mehr, und es gibt mit einsetzender Intensität mehr Schnitte.
Für Sie persönlich war es ein spannendes Jahr mit der Oscar-Nominierung für „Das Lehrerzimmer“ und ihrer Rolle in der internationalen Produktion „September 5“. Werden Sie künftig auch zwischen Deutschland und Hollywood pendeln?
Benesch: Das lässt sich schwer planen. Mir ist es wichtiger, mit welchen Leuten und mit welchen Drehbüchern ich arbeite, als wo. Die Amerikaner schauen doch heute schon viel mehr nach Europa. Ich habe nicht das Gefühl, in Hollywood stattfinden zu müssen, um gute Arbeit zu machen.
Interview: Joern Christiansen