Licht ins Dunkel: Eydís Evensen im Interview zu „The Light“
Neoklassik-Pianistin Eydís Evensen findet auch in ihrer alten Heimat Inspiration – und wagt sich an ein ganz neues Instrument.
„The Light“ von Eydís Evensen: Liebe zum Licht
Eydís, dein neues Album heißt „The Light“, und in den zwei Liedern mit Text geht es ebenfalls um Licht. Woher kommt deine Faszination für dieses Thema?
Eydís Evensen: Wir haben alle eine schwierige Zeit hinter uns. Bei „The Light“ geht es für mich darum, dass du alle Schwierigkeiten überstehen kannst, egal, wie dunkel es wird. Wir dürfen nur niemals die Hoffnung aufgeben, es gibt ein Licht am Ende des Tunnels. Ich selbst habe auch viel Schweres erlebt, zum Beispiel, als ich aufgrund der Pandemie aus New York zurück nach Island ziehen musste.
Glaubst du, dass deine Kindheit im Norden von Island die Liebe zum Licht beeinflusst hat?
Evensen: Bestimmt. Der Kontrast hier ist wirklich verrückt: Im Sommer geht die Sonne eine bis zwei Wochen nicht unter, im Dezember leiden die Leute dagegen unter Depressionen, weil es so dunkel ist. Da gibt es vielleicht zwei Stunden Tageslicht, und wenn es dann auch noch bewölkt ist, ist die Sonne tagelang gar nicht zu sehen. Beim Aufwachsen hat es mich nicht so getroffen, ich kannte es ja nicht anders. Aber als ich zurückgezogen bin, war es anders. In New York war ich so: Ist doch gar nicht schlimm, Winter sind toll! Dann war ich wieder hier und dachte nur: Fuck! (lacht)
Klingt hart.
Evensen: Ja, aber es hat auch etwas Schönes. Wir müssen uns alle eine Beschäftigung suchen, wenn es draußen dunkel ist und wir eingeschneit sind – ob es nun Malen, Musizieren oder Dichten ist. Das befeuert die Kreativität der isländischen Kultur.
Ich habe das Gefühl, Künstler:innen aus Island werden gern auf ihr Heimatland reduziert. Nervt dich das manchmal?
Evensen: Nein, nie. Ich bin einfach dankbar, aus diesem Land zu stammen und diesen musikalischen Hintergrund zu haben. Island ist eine riesige Präsenz in meiner Musik – die Landschaft, die Gletscher, die Vulkane. Viele Leute waren noch nie hier, daher bin ich immer dafür, es zu zelebrieren. Ich freue mich über das Interesse an diesem Land.
Das Stück „Dreaming of Light“ ist das erste Mal, dass du neben dem Klavierspiel auch als Sängerin in Erscheinung trittst. Wie ist es dazu gekommen?
Evensen: Ich habe nie Gesangsunterricht genommen – und auch nie damit gerechnet, dass ich das jemals tun würde. Aber als ich das Chorstück komponiert habe, hatte ich noch den zweiten Teil des Gedichts übrig, den ich als Text verwendet hatte. Und zugleich hatte ich an einem Soundtrack zu einem Film gearbeitet, aus dem dann nichts geworden ist. Also gab es den Text und die Melodie, und eines Tages habe ich einfach probiert, zu singen. Es hat sich richtig angefühlt – obwohl ich am Anfang ganz schön nervös gewesen bin.