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Liebe im Porzellanladen: „You are the Morning“ von Jasmine.4.t

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(Foto: Matt Grubb)

Mit ihrem von Boygenius produzierten Debütalbum „You are the Morning“ kehrt Singer/Songwriterin Jasmine.4.t ihren inneren Scherbenhaufen zusammen und legt ein queeres Manifest vor.

Sichtbarmachung marginalisierter Gruppen führt nicht selten zu Zweifeln am richtigen Maß. Werden adressierte Probleme durch Überkommunikation gar verstärkt? Die Singer/Songwriterin Jasmine.4.t begegnet dem ewigen Dilemma der Repräsentation mit entschiedener Deutlichkeit. Für sie gibt es kein Dilemma. Als trans Frau ist ihre Performance zwingend auch Aktivismus: „Einer trans Frau ein Mikrofon zu geben, sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Ich will diese Gelegenheit nutzen, um über die Probleme zu sprechen, mit denen wir konfrontiert sind“, erklärt die in Manchester lebende Künstlerin und setzt so ihr von Boygenius produziertes Debütalbum „You are the Morning“ in einen Rahmen, der diese so kraftvolle Platte zu nicht weniger als einem queeren Manifest werden lässt.

„You are the Morning“ von Jasmine.4.t: Ein queeres Manifest

„The Elephant is in the room“, singt Jasmine.4.t auf der Vorabsingle „Elephant“, einem Indierockhit über trans Liebe. Jenen Elefanten führt die Britin behutsam, aber bestimmt, begleitet von gezupften Gitarren oder flankiert von Streichinstrumenten und verzerrtem Postpunksound durch den Porzellanladen ihres Inneren. Und: Alles bleibt heil. Keine Selbstverständlichkeit. Immerhin hat das Leben der Britin doch noch bis vor kurzem in Scherben gelegen, als ihrem Outing als trans im Jahr 2021 weggebrochene Beziehungen, eine Scheidung und die Obdachlosigkeit gefolgt sind. Jasmines Rettung: Freundschaften. Genauer: queere Freundschaften.

Nur konsequent also, dass Jasmine mit ihrer nur aus trans Personen bestehenden Band und den drei Boygenius-Mitgliedern Julien Baker, Phoebe Bridgers und Lucy Dacus auf „Best Friend’s House“ queeren Freundschaften ein Denkmal setzt. Freundschaften, die in ihr eine neue Zärtlichkeit entfacht („Skin on Skin“), ihr durch den Schmerz auf dem Weg vom pretty boy zur Frau geholfen haben („Roan“), um schließlich erstmals echte t4t-Liebe, also Liebe zwischen zwei trans Menschen, zu erfahren.

„Normalerweise fängt es damit an, dass ich in mein Telefon weine und eine Sprachnotiz aufnehme“, so die Sängerin über ihre Songwriting-Routine. Und so dürfte es niemanden überraschen, dass hinter all den wunderschönen Melodien, den hymnischen Anflügen und dem mitunter sogar tanzbarem Indiesound eine tiefe Zerrissenheit schlummert: „Let’s make a family!“, bricht die Sängerin aus der von einem Piano begleiteten Ängstlichkeit bei „New Shoes“ aus und taumelt geradewegs in einen Heulkrampf. Es ist dieses kathartische Gefühl ebensolcher Tränenorgien, das noch lange nachhallt, nachdem der chorale Reigen bei „Transition“ schließlich im Closer „Woman“ aufgeht und Jasmine begleitet vom Trans Chorus Of Los Angeles voller Stolz singt: „I am, in my soul, a woman“.

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