Lisa McInerney: Glorreiche Ketzereien
Vercorkste Leben: In ihrem Debütroman „Glorreiche Ketzereien“ schreibt Lisa McInerney mit guinness-schwarzem Humor und lyrischen Realismus.
Die meisten Probleme der Iren lassen sich entweder auf den Suff, die katholische Kirche oder dumme Zufälle zurückführen. So lässt es sich aus Lisa McInerneys Debütroman herauslesen, der – vielleicht nicht repräsentativ für ganz Irland – in die sozialen Brennpunkte der Hafenstadt Cork schaut. Maureen hat gerade eine kleine Sauerei in ihrer Küche: Mit einer Stein-Ikone hat sie den Schädel eines Einbrechers zermantscht. Aber wozu hat sie denn einen unehelichen Sohn, der auf Gangster-Macker macht? Jimmy soll das bitte schnell mal regeln. Der beauftragt den Alki Tony, der für Kohle alles riskiert und die Drecksarbeit übernimmt. Wisch und weg! McInerney schwenkt weiter, erzählt mit wechselnden Perspektiven die schiefen Bahnen auf denen Tonys Sohn Ryan schon mit 15 Jahren seine Karriere als Kleinganove im Drogenhandel vorantreibt, von seiner großen Liebe Karine und von der Nutte Georgie, die ihren Freund Robbie seit seinem letzten Bruch nicht mehr gesehen hat. Verzweifelte und desillusionierte Menschen, die ihr Leben nicht in den Griff bekommen, ohne neue Probleme zu erzeugen. Und doch geben sie niemals auf. Spürbar ist ihre ohnmächtige Wut auf die katholische Kirche, deren Zerrbild von Moral, Ehediktat und Abtreibungsverbot immer noch in ihre Lebenswirklichkeit fingert, aber schon lange nichts mehr mit der Realität auf den Straßen von Cork zu tun hat. Lisa McInerney führt ihre Protagonisten niemals vor, sondern zeigt deren trotzigen Stolz mit lyrischem Realismus, schwarzem Humor und sprachlicher Wucht. Eine explosive Mischung, die McInerney zu einem sehr eigenständigen Noir fernab von Irland- und Genreklischees verdichtet. nh
Lisa McInerney Glorreiche Ketzereien
Liebeskind, 2018, 448 S., 24,00 Euro
Aus d. Engl. v. von Werner Löcher-Lawrence