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Lisa Politt und Gunter Schmidt: Solidarität im Lockdown

Lisa Politt Gunter Schmitt
Lisa Politt und Gunter Schmitt von der Hamburger Bühne Polittbüro (Foto: Jo Jacobs)

Lisa Politt und Gunter Schmidt vom Polittbüro hatten ihre Bühne schon vor dem Lockdown geschlossen. Sie erzählen, was Solidarität bedeutet.

Frau Politt, Herr Schmidt, Sie haben bereits eine Woche vor dem Beschluss eines erneuten Lockdowns Ihre Bühne, das Polittbüro in Hamburg, geschlossen. In Ihrem Statement ist von der Notwendigkeit die Rede, die Infektionskette zu durchbrechen, was aber viel wichtiger ist: Sie beschwören die Solidarität mit den Gefährdeten. Damit scheren Sie aus aus dem Chor der verzweifelten Stimmen im Kultursektor aus. Kann man das ökonomische Überleben im Kultursektor derzeit so nachrangig betrachten?

Lisa Politt: Wir haben unsere Bühne geschlossen, weil wir die Entwicklung der Infektionszahlen als so bedrohlich empfunden haben. Wir fanden es daher sinnvoll, uns dem Appell anzuschließen, jeden nicht unbedingt notwendigen Kontakt zu vermeiden. Und unser Haus ist zwar durch zusätzliche Corona- Sicherheitsmaßnahmen ein relativ gefahrloser Aufenthaltsort – aber die Zuschauer, unsere Mitarbeiter und Gastkünstler nehmen ja auch das Risiko der Anreise auf sich, die immer mit zusätzlichen Kontakten einhergeht. Wir haben uns deshalb mit einem engen Mitarbeiter besprochen und die Bühne geschlossen.
Das ist uns natürlich nicht leicht gefallen. Niemandem fällt in dieser Situation irgendwas leicht.

Bei allen Einschränkungen finden wir es enorm wichtig, dass wir die Aufmerksamkeit auf das Wohl aller richten und versuchen, schwierige Interessenabwägungen trotzdem so gut wie möglich zu treffen. Unsere Existenz, die unserer Mitarbeiter und der Fortbestand unserer Bühne ist dank der Unterstützung vom Senat und Bund momentan gesichert. Das sieht bei weitem nicht für jeden in der Kulturbranche so aus; das ist uns klar, und wir unterstützen deren nachvollziehbare Forderung auf Hilfsmaßnahmen. Genau wie die berechtigten Interessen von alten und vorerkrankten Menschen, nicht wieder isoliert zu werden, damit die übrige Gesellschaft weiter „funktionieren“ kann wie sonst, die Interessen der in der Fleischindustrie ausgebeuteten Menschen, deren Anspruch auf Gesundheit und Bezahlung immer noch skandalös vernachlässigt werden, die Interessen von Asylsuchenden, deren Situation im Vergleich zu unserer wirklich im Sinne des Wortes existenziell sind.

Eine Ausgrenzung der momentan zur Disposition stehenden Bevölkerungsgruppen zugunsten eines „weiter so“ würde eine grundsätzliche, weitere Entsolidarisierung bedeuten. Und das wäre der größte kulturelle Verlust. Auf der Bühne stehen können wir grade nicht. Unsere kulturelle Herausforderung besteht jetzt darin, über unsere Lobbyarbeit nicht diejenigen zu vergessen, die keine Lobby haben.

Sie waren der Politik diesmal um eine Woche voraus – und sehr realistisch. Wie optimistisch sind Sie mit Blick auf den Dezember? Glauben Sie, dann wieder Programm zu spielen?

Gunter Schmidt: Ja, richtig. Wir sind aber nicht unter die Wahrsager gegangen, und auch ohne hellseherische Fähigkeiten lässt sich sagen: Es wird am verantwortungsvollen Umgang von uns allen liegen, wie es im Dezember aussieht. Nachdem wir Lisas neues Solo wegen der ersten Schließung schon auf den April nächsten Jahres verschoben haben, sitzen wir jetzt an der Vorbereitung unseres Weihnachtskonzertes. Übertrieben optimistisch sind wir nicht, aber wie gute Gastgeber wollen wir vorbereitet sein, wenn wir wieder öffnen können und Publikumsbesuch kriegen.

Vorbereitet muss auch das Publikum sein. Wie war Ihre Erfahrung in den letzten Wochen, hatten die Gäste Sorge um ihre Gesundheit? Hatten Sie Probleme mit der Nachfrage trotz der eh schon durch die Auflagen reduzierten Plätze? Und nicht zuletzt: Wie erleben Sie einen Kabarettabend, an dem Geselligkeit, Diskussionen und ein gemeinsames Bier hinterher solche Einschränkungen erfahren?

Schmidt: Nach dem durchweg positiven Feedback der Zuschauer auf unsere Coronamaßnahmen habe ich den Eindruck, dass sie sich bei uns den Umständen entsprechend sicher gefühlt haben. Die Besorgnis zeigte sich wohl eher darin, dass viele Zuschauer, zum Teil trotz bereits bezahlter Karten, kurzfristig wieder abgesagt haben. Und so konnten wir auch bei vielen an sich ausverkauften Veranstaltungen manchmal statt 60 Zuschauern nur 40 bis 50 begrüßen. Aber wir konnten auch erleben, dass der Saal bei dieser dürftigen Auslastung toben kann. Die Standing Ovations an den Abenden mit Esther Bejarano sind in dieser Form was ganz Spezielles.

Natürlich wurde von allen bedauert, dass der direkte Kontakt zwischen Künstler und Publikum im Foyer nicht zustande kommen kann – dass z. B. Bücher zum Signieren von uns eingesammelt und zum Künstler gebracht wurden – alles mit Handschuhen, desinfizierten Stiften usw. Uns fehlt natürlich auch der kollegiale Austausch, die späten Runden im Foyer mit Diskussionen über die Programme, Ideen, Politik sowie private Gespräche und das eine oder andere Gläschen in netter Runde.

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