Liv Solveig: Direkter Umweg
Das Geheimnis hinter dem ganz und gar eigenen Sound von Liv Solveig? Die norwegisch-deutsche Songwriterin hat die Ruhe weg.
Liv Solveig, dein Album trägt den Titel „Slow Travels“. Entspricht das dir, oder hast du dir die Kunst der Langsamkeit bewusst antrainiert?
Liv Solveig: Das bin total ich. Ich will jetzt nicht sagen, dass ich ein langsamer Mensch bin. (lacht) Ich spreche auch schnell und bin schon auf Zack. Aber ich lasse mir Zeit bei allem, was ich mache. Jede Entscheidung braucht eine Weile. In meiner Jugend habe ich mich nicht einfach hingesetzt, Indie-Songs geschrieben und daraus eine Platte gemacht , sondern ich habe den ganzen Tag nur Geige gespielt. Das war erstmal ein Eintauchen in diese Klassikwelt, und nach meinem Geigenstudium hatte ich auch jede Woche Konzerte mit Orchestern. Da habe ich dann aber gemerkt, dass ich eigentlich ein total kreativer Typ bin, gerne Songs schreibe und singe. So bin ich zum Jazz gekommen und habe mir meinen Traum erfüllt, ins Ausland zu gehen und in New York Jazzgesang zu studieren. Das hat mich extrem inspiriert und mein Schreiben auch geöffnet. Aber Jazzsängerin wollte ich eben auch nicht sein, und so bin ich zu meiner Musik gekommen, die ja durchaus noch ein paar Elemente aus dieser Zeit enthält.
Du hast das Album schon 2017 komplett aufgenommen, doch als es fertig war, warst du nicht hundertprozentig zufrieden. Also hast du dir daheim in Neukölln ein eigenes Studio aufgebaut und es komplett überarbeitet. Hast du auch da keinen Druck gespürt und dich aus der Ruhe bringen lassen?
Solveig: Das war schon eine Komplettkrise, denn ich habe ja noch mal komplett alles in Frage gestellt. Aber als ich dann mein Homestudio aufgebaut und losgelegt hatte, ist es einfach nur noch geflossen. Ich wollte wegkommen von dieser Statik und habe Soundflächen, Stimmen und Chöre aufgenommen. Innerlich war der Prozess hart und schwer auszuhalten, aber sobald ich mich an die Instrumente gesetzt habe, war auf einmal eine Leichtigkeit da.
Auf dem Album sind Songs wie „You“ und „Why were you smiling“, mit denen du sehr persönliche Dinge auf poetische Art verhandelst. Ganz anders ist „Heartbeat of Shibuya“, denn da bewegst du dich sehr sicher durch den berühmten Stadtteil Shibuya – obwohl du nie in Tokyo gewesen bist.
Solveig: Das ist auch der Tatsache geschuldet, dass ich gerne Welten aufmache. Von einem Freund habe ich mir erzählen lassen, wie sich die Stadt anfühlt, und er hat mir auch Soundbeispiele mitgebracht, etwa von der U-Bahn dort. Ich habe mir ganz intensiv vorgestellt, wie es ist, da durch die Stadt zu wandern, dieses Flirren und die endlosen Bewegungen zu spüren. Als ich den Text geschrieben habe, war ich wirklich für zwei Wochen komplett in meiner Shibuya-Welt.