Lutz Seiler: Kruso
Für die Jury des Deutschen Buchpreises hat Lutz Seiler den besten Roman 2014 geschrieben. Natürlich geht es bei dieser Entscheidung nicht nur um literarische Qualität, schließlich garantiert die Auszeichnung dem prämierten Buch eine sechsstellige Verkaufszahl, und das bürgerliche Feuilleton wünschte sich zum 25-jährigen Mauerfalljubiläum mehr noch als in den Jahren zuvor einen Wenderoman.
So erzählt der 1963 im thüringischen Gera geborene Seiler mit „Kruso“ von der Insel Hiddensee, die er zu einem Treffpunkt junger DDR-Aussteiger stilisiert. Im Zentrum steht das Personal einer Touristengaststätte, das seine ganz eigene Vision von Freiheit lebt: Der gescheiterte Germanistikstudent Ed Bendler, den es nach dem Tod seiner Freundin auf die Insel verschlagen hat, lernt die vom titelgebenden Küchenchef Alexander Krusowitsch perfide ausgeklügelten Spielregeln kennen, nach denen das Gastropersonal ihren systemmüden DDR-Mitbürgern einen Freiraum schafft.
Seiler erzählt von gescheiterten Fluchtversuchen und von Überwachung, und er feiert einen summer of love, der von der Literatur der Deutschen Romantik befeuert wird. Wenn die Buchpreisjury dem Debütroman des Lyrikers Seiler für seine „ins Magische spielende Sprache“ lobt, speist sich diese natürlich aus allzu vertrauten, ungefährlichen Referenzen. Sie hat einen ganz guten Roman ausgezeichnet, der das Erfolgsrezept von Preisträgern wie Uwe Tellkamp und Erwin Ruge aufgreift. Wäre es ihr um literarischen Mut oder gesellschaftskritische Sprengkraft gegangen – sie hätte sich für „3000 Euro“ von Thomas Melle entschieden. Oder für eine der herausragenden Neuerscheinungen, die es – vermutlich aus politischen Gründen – gar nicht erst auf die Longlist geschafft haben. (cs)