Maria Anastasia über „Ethya“: Vielschichtig
Auf der Bühne spielt Maria Anastasia Hörner Klavier und Violine kurzerhand selbst – aber wie überträgt sich das auf ein Album?
Maria, du hast eine klassische Ausbildung, aber „Ethya“ erinnert auch an Max Richter oder Yann Thiersen. Wie hat deine Beziehung zur Musik angefangen?
Maria Anastasia: Als ich drei Jahre alt war, hat mein Onkel bei uns Klavier gespielt, das hat mich wahnsinnig berührt. Ich erinnere mich noch an einen Moment, in dem mich die Musik völlig überwältigt hat und ich sprachlos gedacht habe: So etwas Schönes will ich auch einmal hinkriegen. Mit 14 hatte ich ein Konzerterlebnis, als ich einen Zymbalisten gehört habe – ein Instrument, das für mich wie eine Mischung aus Klavier und Geige geklungen hat. Da wurde mir klar: Wenn ich das wirklich erreichen will, muss ich mich hinsetzen und üben. Am nächsten Tag habe ich begonnen, jeden Tag vier Stunden Klavier und eine Stunde Geige zu üben. Das war vielleicht ein bisschen fanatisch. (lacht)
Wie bist du dann dazu gekommen, deine eigenen eher minimalistischen Kompositionen zu schreiben?
Maria Anastasia: Nach dem klassischen Klavierstudium hat mir die Pandemie viel zunichtegemacht, also habe ich gedacht: Ich probiere einfach aus, ob sich die Ideen, die mir im Kopf herumschwirren, umsetzen lassen. Ich habe mir eine Loopstation und weiteres Equipment zugelegt und erarbeitet, wie ich Klavier- und Geigenaufnahmen übereinanderschichten kann. 2022 habe ich dann eine Förderung für sechs Livekonzerte bekommen und musste innerhalb von vier Wochen ein Konzertprogramm komponieren. Seitdem weiß ich, dass mir das Komponieren mindestens so viel Spaß macht wie das Spielen. Ein Konzert-Highlight war, auf Einladung von Herman Van Veen in seinem gleichnamigen Arts Center in den Niederlanden zu spielen.
Wenn die Musik eigentlich für den Livekontext gedacht war: Wie viel von der Loop-Struktur findet sich noch auf dem Album?
Maria Anastasia: Für die Aufnahmen habe ich meine Kompositionen noch einmal neu gedacht. Im Konzert bist du mit dem Looper schon sehr flexibel. Aber wenn du rein kompositorisch denkst, ohne Loops, kannst du sofort auf den Punkt kommen. Das hat mir sehr gut gefallen. Alle Klavier- und Geigenstimmen habe ich selbst eingespielt – das war mir wichtig, weil jedes Stück eine ganz persönliche Handschrift tragen sollte. Produziert hat das Album Michael Vajna.
Was sind konkrete Unterschiede zwischen dem Konzert und der Platte?
Maria Anastasia: Das Album ist ruhig und dicht gehalten. Wenn ich die Stücke im Konzert spiele, sind sie viel länger und enthalten wilde Passagen. Ich schichte mit der Loop in sechs- bis 15-minütigen Spannungsbögen live eingespielte Layer übereinander, experimentiere mit perkussiven Elementen und dynamischen, teils jazzigen Passagen. Das nächste Album wird dann vom Charakter her noch mehr von diesen Live-Überraschungsmomenten einfangen. (lacht)
Was sind die größten Einflüsse auf deine Musik?
Maria Anastasia: Die Klassik ist mein ABC, mein Handwerkszeug – sie prägt mich, seit ich denken kann. Aber auch meine Farb-Ton-Synästhesie und meine Familiengeschichte spielen eine Rolle in meiner Musik. Meine Vorfahren sind in die Ukraine ausgewandert, im Zweiten Weltkrieg mussten meine Großeltern über Deutschland nach Sibirien, wo meine Eltern geboren wurden. In den 1970er Jahren kehrten sie schließlich in ihre Heimat, nach Deutschland zurück, wo ich zur Welt gekommen bin.
Die Melodien und Harmonien Osteuropas habe ich mit der Muttermilch aufgesogen – und ich glaube, das hört man auch. Ich möchte mit meiner Musik berühren und glaube, dass Musik das Medium ist, in dem wir zueinanderfinden können, in dem Grenzen überwunden werden. Mich interessiert der Moment, in dem sich verschiedene Stile begegnen, Schubladen ihre Zwischenwände füreinander öffnen und sich Erfahrung in einer musikalischen Gestalt ausformt.
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