„Centrifics“ von Marina Allen: Das Besondere im Unscheinbaren
Das Folkpopalbum „Centrifics“ von Marina Allen leistet auch in krisengeschüttelten Zeiten seine Dienste.
Darf man in krisengeschüttelten Zeiten nostalgiegefärbten Folkpop spielen, den kein Wässerchen zu trüben scheint? Marina Allen darf. Die US-Amerikanerin lehnt mit ihrem zweiten Album so entspannt an Carole King, Karen Carpenter und Joni Mitchell, dass man zweimal hinhören muss, um „Centrifics“ von Marina Allen nicht als bloße Vintage-Kopie abzutun.
Dabei hat Allen erst vergangenes Jahr ihr Debütalbum „Candlepower“ veröffentlicht, mit dem die Musikerin zu einer der wichtigsten Stimmen ihrer Generation verklärt wurde. Damals hatte sich die Debütantin noch arg hippiesk gezeigt, mit psychedelisch mäandernden Einflüssen, die nicht so recht zu einem Fluss finden wollten. Allerdings hat Allen mit dem finalen Stück „Reunion“ bereits gezeigt, in welche Richtung es gehen könnte.
Für „Centrifics“ hat Marina Allen die West-Coast-Einflüsse der 60er und 70er homogenisiert
Für ihr nur anderthalb Jahre später erscheinendes zweites Album hat die Kalifornierin die West-Coast-Einflüsse der 60er und 70er homogenisiert. Es ist vor allem das Klavier, mit dem Allen ihren Sound bestimmt: hüpfende Akkorde, ein selbstbewusstes Arrangement, das geschmeidig von einem Schlagzeugbeat und unaufdringlichen Streichern flankiert wird – vielseitig und doch schnörkellos. Allens großer Pluspunkt ist ihre Stimme, die selbst in den lieblichen Momenten mit Flöten und Uhuuh-Gesang noch Bodenhaftung behält.
Anders als bei „Candlepower“ ist auf „Centrifics“ das Songwriting zielgerichteter. Es geht noch immer um Gefühle, um verpasste Chancen und die ewigen Sinnfragen. Aber die Musikerin verpackt ihre Texte mit literarischen und popkulturellen Referenzen, damit sie über die reine Nabelschau hinausweisen. Poetisch, witzig, klug sind ihre lyrischen Betrachtungen – das Besondere lauert im Unscheinbaren: „I’m a race driver“ singt sie in „Getting better“ und widerspricht so der verträumten Schläfrigkeit des Songs. In „Or else“ wagt sie mehr Tempo, mehr Countryfeeling, und in den Lyrics heißt es passend: „I’m the broken glass in the sole of your shoe, I’m walking me home with you.” Ein Album, das nichts an den Krisen unserer Zeit ändert, uns aber für den Kampf stärkt.