Marlene Streeruwitz: Yseut. Abenteuerroman in 37 Folgen
David Lynchs „Mulholland Drive“ ist ein eigenartiger Film: Handwerklich perfekt täuscht er Genre um Genre an, Krimi, Erotik, Horror, Liebe und Verrat, nur um die perfekt aufgebauten Erwartungen ins Leere laufen zu lassen. Es ist kein Zufall, dass die Titelheldin in Marlene Streeruwitz’ „Yseut.“ an einer Stelle über Lynchs 2001er-Film sinniert – „Yseut.“ übernimmt die Technik des unzuverlässigen Erzählens nahezu identisch von Lynch und setzt diese in den Kontext des weiblichen Entwicklungsromans.
Aber Vorsicht: Yseut (was Altfranzösisch für Isolde ist und entsprechend eine bildungsbürgerliche Herkunft andeutet) entwickelt sich zwar, aber nicht nach nachvollziehbaren Kriterien. Sie wächst in einem nicht näher definierten Nachkriegsösterreich auf. Sie heiratet einen Wissenschaftler. Sie geht mit ihm nach Kalifornien. Sie emanzipiert sich, Sie ist in der Ehe unglücklich. Sie entdeckt eigene Talente. Sie wird Schauspielerin. Am Ende fährt sie durch ein apokalyptisches Norditalien und gerät in Mafiakreise. Oder zumindest in Kreise, die sich mafiös verhalten – alles ist offen, aber nichts ist klar. Im Untertitel nennt Streeruwitz „Yseut.“ einen „Abenteuerroman“, auch das ist die Wahrheit, die freilich ebenfalls nichts anderes ist als eine weitere falsche Fährte, die dieses kunstvoll komponierte Buch mit Lust auslegt, auf dass sich das Publikum mit ebensolcher Lust ein weiteres Mal verlaufen möge.