„Marzahn Mon Amour“: Heldinnen zwischen Plattenbauten

Die Serie „Marzahn Mon Amour“ ist eine kleine, aber wunderbare Liebeserklärung an die Menschen des Berliner Stadtteils Marzahn mit Jördis Treibel in der Hauptrolle.
Kathi ist eigentlich Schriftstellerin von Beruf, aber das Geschäft läuft mau, also schult sie um. Dann heuert die frisch von ihrem Mann Verlassene in der Beauty Oase Marzahn als Fußpflegerin an. Die sechsteilige Serie „Marzahn Mon Amour“ entstand nach dem gleichnamigen, stark autobiografischen Bestsellerroman der Schriftstellerin Katja Oskamp. Die Serie läuft jetzt im Ersten und kann in der ARD-Mediathek gestreamt werden.
„Marzahn Mon Amour“ hätte auch langweilig, witzlos und belanglos werden können, doch nicht bei diesem Buch, vor allem aber nicht bei dieser Regisseurin: Clara Zoe My-Linh von Arnim („Die Zweiflers“) hat schon wiederholt bewiesen, wie gut sie auf dem schmalen Grat der Dramedy balancieren kann. Doch dazu gehört nicht nur die Regie, auch die Schauspielerinnen müssen hervorragendes Timing in den Dialogen und nuanciertes Schauspiel zwischen komischen und bitterernsten Momenten beherrschen. Jördis Triebel („Köln 75“, „Micha denkt groß“, „Babylon Berlin“) hat ihr Können schon so oft unter Beweis gestellt, dass sie in der Rolle der Autorin Kathi Grabowski schon vor Drehbeginn eine Bank war. Ihr Spiel als verlassene Mittvierzigerin und alleinerziehende Mutter ist so souverän und die Rolle erfüllend, dass sie – egal, was sonst noch passiert – das Zentrum des Geschehens bildet.
Tochter Lilly hat nicht genug Spielzeit, daimt Schauspielerin Maja Bons („Die Akademie“) herausgefordert würde. Aber Kathis Kollegin Lulu (Deborah Kaufmann, „Für immer Sommer 90“) und ihre Chefin Jenny (Yvonne Yung Hee Bormann) sind bei aller Unterschiedlichkeit so starke Frauen, dass das Trio den Beauty Salon mit tragikomischen Gespür durch Dick und Dünn führt. Dann gibt es eine Reihe alter DDR-Schauspielerinnen und -Schauspieler, allen voran Hermann Beyer („Der Palast“, „Unterleuten“), die einzelne Episoden als Kundschaft des Salons mit Leben erfüllen und die Handlung – vom Alter über Armut bis hin zu Arbeitslosigkeit – auf immer neue prekäre Ebenen bringen, ohne dass die Serie ins Tragische abschmieren würde. „Marzahn Mon Amour“ läuft leider erst um Mitternacht linear im Ersten, kann aber wie alle anderen Serien auch jederzeit in der ARD-Mediathek gestreamt werden.