Meret Becker
Sie hat als Schauspielerin einen ebenso eigenwilligen Stil wie als Chanteuse: Meret Becker („Comedian Harmonists“). Für ihre zweite CD „Nachtmahr“ (Philips) hat die Frau, die aus ihrem Alter ein Geheimnis macht und bald ihr erstes Kind erwartet, schaurig-schöne Balladen komponiert.
Kultur!News: Meret, mit sanfter Kinderstimme oder Vamp-Timbre beschwören Sie böse grinsende Sandmänner; dazu säuseln Orgeln, Kartoffelschäler und sphärisches Tschingderassabumm – „Nachtmahr“ erinnert mehr an Grusel-Hörspiele als an Chansons.
Meret Becker: Wie schön. Wer musikalisch kleine Filme schafft, die sich vor den Augen der Zuhörer abspielen, ist für mich ein Chansonnier. Tom Waits genauso wie mein Mann, der Neubauten-Gitarrist Alexander Hacke … zumindest mit den Stücken, die nicht ratatatata gehen.
K!N: Wie kamen Sie auf die Themen?
Becker: Ich suchte was, das nicht schon unter den Tisch gequatscht wurde. Das Leben ist absurd und tragikomisch, das ist prima. Wie die Geschichte von dem Mann in Amerika, der stirbt. Seine Schwester bestellt den billigsten Sarg. Der ist aber ein bißchen zu kurz. Also schlägt der Totengräber vor, doch den Mann zu kürzen …
K!N: In der „Ballade vom kleinen Meretlein“ wird ein Kind zu Tode „erzogen“ – ist die Namensgleichheit Zufall?
Becker: Nein. Ich bin nach der Objektkünstlerin Meret Oppenheim benannt, und sie wiederum nach eben diesem Text aus dem „Grünen Heinrich“ von Gottfried Keller. Mein Stiefvater Otto Sander hat mir das vorgelesen, als ich noch klein war. Ich fand es eklig und klasse. Die kleine Meret hat eine Unbeugsamkeit, die mir Spaß macht.
K!N: Einige Chansons sind auf Französisch. Warum?
Becker: Sie sind in der Bretagne entstanden. Da gibt es das Meer und Jakobsmuscheln und Wein, und alle rauchen ganz viel … Ich liebe auch die Sprache – sie troppt so schön vor sich hin. Allein der Ausdruck „Prise de tête“: Kopflastigkeit, wörtlich übersetzt: Kopfnehmung. Das hat doch was von Hui Buh.
Interview: Constanze Rheinholz