Michel Abdollahi über das Centralkomitee: „Es hätte auch Rosi’s Theater heißen können“
Hamburg hat eine neue Bühne: das Centralkomitee, dort, wo früher das Polittbüro war. kulturnews sprach mit dem Betreiber Michel Abdollahi.
Mit dem Ende der Sommerpause eröffnet in Hamburg die neue Kabarettbühne Centralkomitee. kulturnews sprach mit dem Betreiber Michel Abdollahi über Glück beim Finden einer Location und den Kreativitätskiller Perfektion.
Michel, du bis Unternehmer, Conferencier, Interviewer, Journalist, TV-Macher, Buchautor, drehst inzwischen Dokumentarfilme: Was wird sich für dich am meisten ändern, wenn du ab Herbst das Centralkomitee betreibst?
Michel Abdollahi: Im Grunde gar nichts. Alle diese Sachen sind miteinander verzahnt und greifen ineinander. Wenn ich ne Location habe, wo ich meinen Dokumentarfilm zeigen kann, dann passt das. Wenn ich als Moderator auf eine Bühne gehen will, kann ich auf meiner eigenen Bühne jetzt noch zusätzlich was machen. Wenn ich Künstler in einer Produktionsfirma auffange und ihnen sage: Ihr lernt mal jetzt was anderes und macht jetzt mal mehr Bewegtbild als Bühne, dann kann ich die jetzt dort unterbringen. Das Centralkomitee ist eine Erweiterung unseres Portfolios. Es ist seine logische Erweiterung. Es war aber auch maximal unvorhergesehen und ist auch sehr, sehr kompliziert, denn: So viele Spielstätten gibt es ja nicht in Hamburg. Büroräume anmieten und ein paar Kameras reinstellen kann jeder. Aber ne Location zu haben, die wirklich bespielt werden kann: Davon gibt es nicht so viele. Es war ein Glücksgriff, das jetzt abzubekommen.
Und das trotz der großen Herausforderungen, die du schon angedeutet hast.
Abdollahi: Die optimale Location ist immer die Location, die man selber baut. Aber: Was man selber baut, lässt auch keine Spielraum für Kreativität. Aber wenn man in was reingeht, was es schon gibt, muss man sich anpassen. Und Anpassung führt immer dazu, dass man kreativ werden muss. Und Kreativität führt dazu, dass neue Ideen aufkommen und man Dinge ausprobiert, die man sonst nicht ausprobiert hätte. Und genau das sind Dinge, die plötzlich nach oben starten. Wenn man aus der Not ne Tugend macht.
Was bedeutet das für das Centralkomitee?
Abdollahi: Ich bin ein Fan davon, dass ich nicht einen perfekt symmetrischen Saal habe, sondern (fängt an zu lachen) der Saal um 15 Grad gebogen ist. Da musst du eben kreativ werden, und Kreativität fördert den Geist. Deswegen bin ich ganz dankbar drum. Wenn ich einen Saal in Perfektion selber bauen würde, dann hätte es nicht den Charme, den es hat, wenn es einen Ort gibt, der mal gelebt hat und jetzt wieder leben wird.
Mit dem „Käpt’ns Dinner“ wirst du nicht ins Centralkomitee gehen …
Abdollahi: Nein. Aber wenn jemand mit einer Idee auf mich zukommt und sagt: Ich hab da so ne Idee und wollen die Location dafür nutzen, bin ich da. Ich selber hab auch schon ein paar Ideen, die man umsetzen kann. Der NDR geht ja auch gerne auf Bühne und geht auch auf Live, das passt also zu seinem Portfolio. Ob das nun Lesungen sind oder … Ich meine: Wenn man so an die alten Alfred-Biolek-Dinger denkt, die er aus Locations heraus gemacht hat. Mit ganz normalem Publikum, das da reingegangen ist. Das hat davon gelebt, dass es echt war, dass es live war. Live aber ist teuer, das macht man nicht mehr so viel. Aber es ist die ideale Location für ein bisschen Renaissance, für ein bisschen Wiederauflebenlassen von Dingen, die plötzlich wieder super in sind.
Du bespielst die Kommandozentrale des sowjetischen U-Boots 434 und gehst jetzt in das Centralkomitee: Hat Entertainment Macht, oder schäkert sie nur mit den Machtsymbolen?
Abdollahi: Ich hab lange gesucht, um eine Location für die Talkshow zu finden damals, die ein bisschen anders ist, aber nicht zu anders, und die eine Intimität schafft. Das U-Boot hatte diese Intimität und hat sie immer noch, und das macht was mit den Gästen, das sehe ich ja, wenn sie reinkommen.
Sie sind ein bisschen eingeschüchtert. Haben Respekt.
Michel Abdollahi: Ja, Respekt äußern viele. Man fühlt sich aber auch wohl, man ist alleine, es ist ne volle Konzentration auf sich, was dort stattfindet. Du hast keine Möglichkeit, dir von irgendwelchen anderen Leuten Applaus einzuholen. Du musst deinen Gastgeber überzeugen, und der Gastgeber muss genauso seinen Gast überzeugen. Dass es nun ein sowjetisches U-Boot gewesen ist: Nun, es war halt da. Und zum Centralkomitee: Ich dachte mir, das Polittbüro ist die oberste Instanz, und die lassen wir mal oberste Instanz bleiben: Lisa Politt und Gunter Schmidt. Wir sortieren uns als Neu-Intendanten, als Neu-Impressarios mal eine Stufe niedriger ein, gehen etwas in die Breite und sagen: Wir sind das Centralkomitee des ehemaligen Polittbüros. Es hätte aber auch Rosi’s Theater heißen können.
Im Video ist Michel Abdollahis mit dem Grimme-Preis ausgezeichnete Doku „Im Nazidorf“ zu sehen. Lisa Politt sagte auf der Pressekonferenz zur Übergabe der Kabarettbühne, diese Dokumentation sei für sie ausschlaggebend dafür gewesen, auf Michel Abdollahi zuzugehen und ihm die Bühne anzubieten.
Kann Kabaret, kann Comedy, wenn die Künstlerinnen und Künstler gut sind, wirklich etwas verändern? Oder sprechen sie eh nur zu den Überzeugten?
Michel Abdollahi: Kunst und Kultur kann immer alles verändern. Jede Form von Kunst sorgt dafür, dass sich Menschen mit Dingen auseinandersetzen müssen, mit denen sie sich vorher vielleicht nicht auseinandergesetzt haben. Auch irgendwo hinzugehen und etwas zu sehen, das man schon kennt, ist auch wichtig, denn durch Wiederholung lernt man Dinge. Dinge werden real: Negativ ausgedrückt: Wenn du die Lüge oft genug wiederholst, wird sie zur Wahrheit. Die Macht ist unglaublich da. Auf der einen Seite. Auf der anderen Seite … hast du Feierabend. Dann willst du in einen Ort reingehen, den du riechst. Den du schmeckst, den du (Stimme wird immer intimer) fühlst. Du willst in eine andere Welt. Du willst Magie. Du willst Bühnenzauber. Du willst dich fallenlassen, du willst nachdenken. Du willst es auf dich wirken lassen, und dann gehst du raus, und dann überlegst du mal, was es mit dir gemacht hat, was da passiert ist. (Wieder sachlich) Wenn man diese Stressabsorption nicht hat, über einen längeren Zeitraum, dann geht’s einem ziemlich schlecht. Menschen, die das nicht machen, wissen häufig gar nicht, warum es ihnen nicht gut geht. Weil sie das nicht haben! Wir brauchen Entertainment! Ob das nun ganz, ganz plump ist oder maximal hochgestochen, aber es ist der Moment, wo du einmal sitzt und guckst und andere machen mal.