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Gute Mine, böses Spiel: Mine im Interview zu „Baum“

Mine
Hyperpop, sassy Rap und Pianoballaden: Auf ihrem aktuellen Album „Baum“ zeigt Mine, wie viele Facetten sie bedienen kann. (Foto: Bastian Bochinski)

Auf ihrem fünften Album klingt die Sängerin und Produzentin Mine so gelassen wie nie – und doch rechnet sie darauf mit einem Nachahmer ab …

Mine, dein vorletztes Album „Klebstoff“ hast du mit einer Memo an dein Zukunfts-Ich begonnen. Was würde denn die Mine von 2019 über die heutige Mine und ihr aktuelles Album „Baum“ denken?

Mine: Zuerst einmal würde ich der Vergangenheits-Mine mal antworten: Ja, ich kann das immer noch fühlen! (lacht) Die Mine von damals wäre wohl ziemlich happy über die heutige. Ganz ehrlich? Ich hab’ gerade die Zeit meines Lebens. (lacht) Wie geil ist das, dass ich auf Tour gehe, dass es mein Job ist, Musik zu machen, dass ich Einkaufen gehen kann, ohne mir Gedanken darüber machen zu müssen, wie viel ein Apfel kostet? Dafür bin ich sehr dankbar. Klammern wir die Weltsituation aus, die einfach total beschissen ist, geht’s mir in meinem egoistischen Selbst gerade mehr als gut. Mit dem Album hab’ ich gelernt, anzuerkennen, dass es Dinge gibt, die nicht so geil gelaufen sind, ohne mich wie ein Loser fühlen zu müssen.

Diese Gelassenheit hört man dem Album an. Der Song „Ich weiß es nicht“ klingt etwa wie ein Gegenentwurf zum Impuls, immer und sofort zu allem eine Meinung haben zu müssen.

Mine: Aktuell wird man schnell dazu gedrängt, Position zu beziehen – was per se aber nicht schlecht ist. Ich bin Jahrgang ’86. In meiner Schulzeit gab es vielleicht zwei Leute pro Klasse, die sich für Politik interessiert haben. Alle anderen waren unpolitisch, und das war einfach stinknormal. Sich so herauszuziehen, ist eine unglaublich privilegierte Position. Denn die, die sich mit Politik auseinandersetzen, werden in der Regel dazu getrieben oder haben gar keine andere Wahl, weil sie unter den herrschenden Verhältnissen leiden. Deswegen finde ich es eigentlich gut, dass wir heute eher gezwungen werden, uns mit Problemen auseinanderzusetzen, die scheinbar nichts mit uns zu tun haben, für die wir aber genauso die Verantwortung tragen. Trotzdem sind Probleme immer komplexer als eine Spiegel-Headline. Nicht jeder ist ein Spezialist.

Insgesamt bist du auf diesem Album so nahbar wie nie. Auf dem Song „Staub“ singst du etwa über deine verstorbene Mutter. Wie lange lag der Song rum?

Mine: Ehrlich gesagt, ist der einfach so passiert. Zu der Zeit hab’ ich total viel Rosalía gehört und wollte dann die Skalen, derer sie sich bedient, unbedingt auch benutzen. Also hab’ ich mich ans Klavier gesetzt und in innerhalb von 20, 30 Minuten den Song geschrieben. Dadurch, dass ich jetzt selbst Mutter bin, werden die Erinnerungen an meine Mutter immer häufiger getriggert.

Wie hat sich seitdem dein Blick auf deine Mutter verändert?

Mine: Eigentlich hat sich nichts verändert. Ganz im Gegenteil. Ich hab’ eher das Gefühl, dass andere Leute immer sagen: Das verändert einen. Klar, ich hab’ jetzt zwei kleine Scheißer zu Hause, meine Tagesstruktur hat sich verändert. Die Empathie meinen Eltern gegenüber ist auf jeden Fall gestiegen. Da gibt’s einen Perspektivenwechsel. Es ist eher so, dass sich jetzt viele Fragen aufgetan haben, die ich aber eben nicht mehr stellen kann.

Gab es denn auch Zweifel, diesen Song zu veröffentlichen?

Mine: Wenn Musik etwas mit mir macht, gibt es mir die Berechtigung, sie zu veröffentlichen. Den Song halte ich für künstlerisch wertvoll. Klingt kühl, ist aber so. Ich schade damit niemandem, mache nur mich selbst angreifbar. Es kommt nach solchen Songs oft dazu, dass Menschen auf mich zukommen und mir ihre Geschichten erzählen. Damit kann ich nur sehr schwer umgehen.

Was ist daran so schwer?

Mine: Dass die Leute eine Beziehung zu mir aufbauen, ist ja klar. Ich hab ihnen schließlich etwas erzählt. Aber wenn Leute auf der Straße zu mir kommen, erzählen, dass ihr Vater gestorben ist, und dann anfangen, zu weinen, kann ich da offensichtlich nicht helfen. Ich kann nur raten, in Therapie zu gehen – das rate ich eigentlich immer gern. (lacht)

„Dass wirtschaftlicher Erfolg mit Credits von den Coolen aufm Schulhof zusammenkommt, ist einfach übelst selten.“

Neben all der Gelassenheit gibt’s aber auch Songs wie „Copycat“. Eine battlerapartige Abrechnung mit Nachahmer:innen und Diebstahltendenzen in der Musikindustrie. Wieso ausgerechnet jetzt dieser Song?

Mine: Weil es jetzt wieder so einen Fall gegeben hat. Und ich spreche auch über einen bestimmten Künstler, werde den Namen aber nicht nennen. Das wäre scheiße für diejenigen, die beklaut worden sind. Denn die Leute, die berühmt sind, an denen geht so was ja meist spurlos vorbei, ohne Konsequenzen. Diejenigen, die beklaut wurden, werden hingegen von der anderen Fanbase zerpflückt. Dieses Business ist eh schon so unfair, sich dann auch noch bei anderen zu bedienen, die nicht in einer privilegierten Position sind, ist einfach ekelhaft.

Das wird sich wohl nie ändern.

Mine: It won’t happen! Das Perfide ist, es geht nicht mal zwingend um Kohle, sondern auch um Image. Künstler:innen-Egos sind einfach so unglaublich groß. Das sind alles Narzisst:innen: Wir stellen uns auf Bühnen und wollen beklatscht werden. Das ist doch irre. Dass wirtschaftlicher Erfolg mit Credits von den Coolen aufm Schulhof zusammenkommt, ist einfach übelst selten. Bilderbuch oder Peter Fox kriegen das vielleicht hin.

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