Modern Love (or Love in the Age of Cold Intimacies)
Für das Thema Liebe ist eine einzelne Ausstellung viel zu klein – dafür braucht es mindestens zwei europäische Museen. Was unsere intimsten Beziehungen heute beeinflusst, weiß Kuratorin Katerina Gregos.
Katerina Gregos, beim Ausstellungstitel „Modern Love“ habe ich mich gefragt, worum es eigentlich geht: Gibt es auch eine klassische Liebe, und was ist heute anders?
Katerina Gregos: Der Begriff Modern bezieht sich auf die Liebe im heuti- gen Zeitalter des Internets, der sozialen Medien, des Hochkapitalismus und der Globalisierung. Die Frage ist, wie sich Liebe und soziale Be- ziehungen dadurch verändert haben und wie sich die Grenzen zwischen privat und öffentlich zunehmend auflösen.
Wie kann Kunst ein so komplexes soziales Phänomen erfahrbar machen?
Gregos: Indem die Künstler*innen Vorschläge und festgesetzte Vorstel- lungen sichtbar machen; ebenso durch Storytelling und kritische Analyse.
Muss ich meine Vorstellungen oder Erwartungen von der Liebe nach dem Besuch der Ausstellung womöglich revidieren?
Gregos: Nicht unbedingt! Sie können natürlich auch an Ihren persönli- chen Vorstellungen von der Liebe festhalten. Eine Ausstellung ist eine Einladung, einen anderen Blick auf die Wirklichkeit zu werfen. Es liegt an Ihnen, die Einladung anzunehmen oder nicht.
Ermöglichen Social Media und globale Kommunikationsformen nicht leichtere und schnellere Zugänge jenseits räumlicher Grenzen und vor allem mehr Möglichkeiten, Menschen kennenzulernen?
Gregos: Einerseits schon, denn durch das Internet können sich nicht- heteronormative Identitäten ausdrücken und Verbindungen schaffen. Andererseits führen Dating-Supermärkte wie Tinder und Grindr ebenfalls zu egoistischen, oberflächlichen oder nar- zisstischen Verhaltensformen, die wiederum irreführende Selbstbilder schaffen, die es immer schwieriger machen festzustellen, was real, sinnvoll oder wahr ist.
Auf was kann mich die Ausstellung aufmerksam machen?
Gregos: Auf eine kritischere Nutzung von Internet und sozialen Medien und darauf, wie diese unsere zwischenmenschlichen Beziehungen beeinflussen. Sie können sich fragen, welche Herausforderungen und Möglichkeiten die technologisch fortschreitende Welt für unsere intimsten sozialen Beziehungen und unser Gefühlsleben bereithält.
Und wozu möchten die Künstler*innen mit ihren Werken anregen?
Gregos: Sie wollen uns inspirieren, aus unserer Komfortzone herauszu- treten, die Welt um uns herum anders zu betrachten, das Unwahrnehm- bare wahrzunehmen und uns dazu zu bringen, unsere vorgefassten Vorstel- lungen und Meinungen über die Dinge in Frage zu stellen. Künstler*innen inspirieren uns dazu, anders zu denken und das, was wir zu wissen glauben, mit frischen Augen und einem offeneren Geist neu zu überdenken.
Interview: Janka Burtzlaff
Die Ausstellung „Modern Love (or Love in the Age of Cold Intimacies)“ läuft vom 3. Oktober bis zum 7. März 2021 im Museum für Neue Kunst in Freiburg sowie in der Tallinna Kunstihoone in Tallinn (Estland).
Alle weiteren Infos zur Ausstellung gibt es auf der Webseite vom Museum für Neue Kunst