Mogwai: Every Country’s Sun
„Every Country’s Sun“ klingt so, als könnten Mogwai die Welt retten. Die schottischen Postrocker müssten nur noch ein paar Kleinigkeiten erklären.
Gar nicht so leicht, mit Barry Burns über das neue Mogwai-Album zu sprechen. Dabei lebt der Gitarrist und Keyboarder der schottischen Band nun schon seit acht Jahren in Neukölln, wo er zusammen mit seiner Frau Rachel die Kneipe Das Gift betreibt. Doch in den Wochen vor der Veröffentlichung von „Every Country’s Sun“ ist Burns nicht in Berlin anzutreffen, da der 41-Jährige mit seinen Bandkumpels in der alten Heimatstadt Glasgow abhängt. „Wir sind hier im Studio, um an einem neuen Soundtrackprojekt zu arbeiten“, erzählt Burns am Telefon, will aber noch keine Details verraten, weil das ja frühestens im nächsten Jahr auf die Fans der Postrocker zukommen wird.
Erstmal also das mittlerweile neunte Studioalbum, für das sie Schottland verlassen haben, um nach mehr als 15 Jahren endlich mal wieder mit ihrem alten Freund Dave Fridmann in den USA aufzunehmen. „Unterbewusst haben wir vermutlich schon gespürt, auf was für einen spacigen Trip wir uns da begeben wollen“, begründet Burns lachend ihre Entscheidung für den Produzenten, der vor allem durch seine Arbeit mit den Flaming Lips bekannt ist und für Mogwai auch schon bei „Come on die young“ (1999) und „Rock Action“ (2001) an den Reglern gesessen hat. Neben den für Mogwai charakteristischen Gitarrenwänden hat sich auf „Every Country’s Sun“ etwa auch der düstere, ganz verhaltene Ambientelektrosong „aka 47“ eingeschlichen. Und vor allem ist da die Vorabsingle „Party in the Dark“, auf der nicht nur der Gesang von Gitarrist Stuart Braithwaite zu hören ist, sondern mit der sie sich auch klassischen Indiepopstrukturen derart annähern, wie man es den Schotten niemals zugetraut hätte. „Noch beim letzten Album hätte ich geschworen, dass man so etwas von uns niemals zu hören bekommt – aber dann fanden wir den Song einfach zu gut, und es fehlte noch ein Element, das dann vom Gesang perfekt ausgefüllt wurde“, erklärt Burns ein wenig zerknirscht, als müsse er sich für so viel Zugänglichkeit entschuldigen.
Natürlich kann man in „Every Country’s Sun“ viel reininterpretieren: Repräsentiert der apokalyptische Postrock nicht etwa Post-Brexit, Trump und all das Ungemach der letzten Monate, ist „Party in the Dark“ der Abrisstanz in der Indiedisko, und lassen dann nicht die außerweltlichen Elektrosounds auf einen Fluchtort und Rettung hoffen? Burns selbst fragt man da besser nicht: „Schon möglich, dass wir uns mit der Platte unterbewusst ein Schutzschild geschmiedet haben, nur analysieren wir selbst unsere Musik eben nicht. Worüber ich auch ganz froh bin, denn dann müsste ich mich auch fragen, warum das Album mit dem Titelsong ein glimpfliches Ende nimmt – und das könnte ich mir nur mit unserem fortgeschrittenen Alter erklären“, wiegelt er lachend ab. Schade eigentlich, denn Songtitel wie „Battered at a Scramble“ und ganz besonders „Don’t believe the Fife“ fordern ja geradezu dazu auf, ein konkretes Narrativ zu erspinnen. Ist Fife nicht eine schottische Region, und soll das dann der Ort sein, an dem man vor dem realpolitischen Scheißdreck sicher ist? „Wir geben uns tatsächlich viel Mühe mit den Namen – aber nur, um genau solche Verwirrung zu stiften. Der Titel spielt einfach auf ,Don’t believe the Hype’ von Public Enemy an, und Fife ist ein Tontechniker aus unserem Umfeld, der den ganzen Tag nur Schwachsinn redet.“ Jetzt lacht Burns lauthals, und wären seine Bandkumpels in der Nähe – er würde sie abklatschen.
Carsten Schrader
Tour
14. 10. Berlin
16. 10. Hamburg
17. 10. Köln
2. 11. Leipzig
3. 11. München