Moritz Neumeier ist es „Unangenehm“.
Er nennt sich selbst Stand-up-Comedian, ist aber genauso gut Kabarettist: Moritz Neumeier feiert mit dem Programm „Unangenehm“ Premiere.
Geübt hat Moritz Neumeier zwar schon seit einiger Zeit, indem er mit Try-outs seines neuen Programms tourte, doch „Unangenehm“ – so heißt der Abend – feiert seinen ersten offiziellen Vorhang jetzt am 1. 9. in Dresden, danach zieht der Stand-up-Comedian, der im Grunde aber meist politischer Kabarettist ist, fast täglich in eine neue Stadt.
Wie der Titel schon sagt, will sich Neumeier im neuen Programm um Themen kümmern, bei denen er in der Kommunikation mit dem Umfeld ein eher unangenehmes Gefühl hat. Im Vorfeld schreibt er über sich in der dritten Person: „Moritz Neumeier sind eine Menge Sachen unangenehm und über einige dieser Sachen spricht er auf der Bühne. Situationen, die ihn überfordern, Verhaltensweisen, die er hat und Menschen, die er trifft.“ Inhaltlich wird er damit zwar noch nicht, so dass man weiterhin nur vermuten kann, was der Kabarettist damit meint. Aber das nahtlose Switchen zwischen privaten Verhaltensweisen hier und gesellschaftlichen Ansprüchen dort (die oft auch politische Ansprüche sind): dieses Switchen ist sein Markenzeichen. Okay, damit hat Moritz Neumeier nicht das Rad des Kabaretts und schon gar nicht das Rad der Stand-up-Comedy erfunden, aber sein Nachbau ist doch ein sehr gelungener.
Zum Video: Moritz Neumeier hat kurz nach dem ersten Corona-Lockdown sein Programm „Ich weiß das doch auch nicht“ geschrieben und nur wenige Male aufgeführt, dafür aber aufzeichnen lassen. In diesem Programm spricht er sehr häufig über seine drei Kinder, spricht über Erziehung allgemein und auch ganz konkret. Die Satirikerin Ella Carina Werner hat erst vor kurzem in einer ihrer Glossen in der Satirezeitschrift Titanic moniert, dass Männer neuerdings viel über ihre gemeinsame Zeit mit ihren Kindern sprechen, so als ob das etwas außergewöhnliches wäre. Namentlich hat sie auch Moritz Neumeier aufgefordert, in der Hinsicht etwas kürzer zu treten. Aber was ginge uns in diesem Fall alles verloren! Moritz Neumeiers Fantasien, was das Schlagen der Kinder anbetrifft! Die Fantasie eines Gastes in Neumeiers Show, wonach er seiner Tochter gerne mit einer Makita-Bohrmaschine in die Kniescheibe bohren würde! Das alles zeigt Neumeiers Balanceakt auf dem schmalen Grat zwischen grenzenloser Albernheit einerseits und dem möglichen Vorwurf andererseits, Gewalt gegen Kinder zu verharmlosen: dieser Balanceakt aber ist gelungen. Neumeier muss nicht aussprechen, was eh klar ist: dass Gewalt gegen Kinder eines der widerwärtigsten Dinge ist, die man sich vorstellen kann. Er spielt mit dem Unaussprechlichen, benennt und enttabuisiert es als Gesprächsthema, ohne dabei je moralisch zu werden, weil das nicht notwendig ist.