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„Mozart/Mozart“: Aus Nannerl wird Maria Anna

Maria Anna (Havana Joy) und Wolfgang Amadeus (Eren M. Güvercin) Mozart lehnen an einem Klavier in einem großen Saal. „Mozart/Mozart“ läuft im Ersten und kann in der ARD-Mediathek gestramt werden.
Havana Joy und Eren M. Güvercin sind die Mozart-Geschwister in „Mozart/Mozart“. Die Serie läuft im Ersten und kann in der ARD-Mediathek gestramt werden. (Foto: WDR/Marcel Weisheit/Story House Pictures GmbH)

Die neue ARD-Serie „Mozart/Mozart“ zeigt Maria Anna Mozart im Mittelpunkt: ein modernes Drama über Freiheit, Talent und die bisher unsichtbare Frau hinter dem Wunderkind.

Wenn man den Namen Mozart hört, denkt man sofort an das Wunderkind Wolfgang Amadeus. Doch hinter jeder historisch gefeierten männlichen Figur steht oft eine Frau, deren Begabung übersehen wurde. Die neue ARD-Serie „Mozart/Mozart“ stellt diejenigen in den Mittelpunkt, die die Geschichtsschreibung lange ignoriert hat. Maria Anna Mozart, genannt „Nannerl“, war ebenfalls ein Wunderkind, eine Virtuosin, Komponistin und musikalische Partnerin ihres Bruders. Die Serie erzählt nicht, wie es historisch genau war, sondern wie es hätte sein können, wenn Maria Anna sich all das getraut hätte, was Frauen ihrer Zeit verboten wurde: zu komponieren, zu dirigieren und sich Männern musikalisch wie verbal entgegenzustellen. „Mozart/Mozart“ ist eine moderne, farbenprächtige Neuinterpretation der Geschichte um den jungen Wolfgang Amadeus, die die Mozart-Familie in ein zeitgenössisches Licht rückt. Für einige sicher zu modern, doch wer sich darauf einlässt, bekommt eine Unterhaltungsserie voller Energie, Drama und Emotionen. Gedreht hat die Serie die Regisseurin Clara Zoe My-Linh von Arnim, die schon mit „Die Zweiflers“ und „Marzahn Mon Amour“ nachhaltig auf sich aufmerksam gemacht hatte. „Mozart/Mozart“ läuft jetzt im Ersten und kann in der ARD-Mediathek gestreamt werden.

„Mozart/Mozart“: Skandalauftritt als Startpunkt

Gleich die erste Folge macht klar, wohin die Reise geht: Bei einem Konzert reißt sich Wolfgang Amadeus Mozart (Erin M. Güvercin, „Euphorie“) die weiß gepuderte Perücke vom Kopf, sie fliegt über die Bühne und fängt Feuer. Der Sound bricht aus barocken Klängen in moderne Beats, Salzburgs Würdenträger brüllen „Blasphemie!“, während das Publikum verwirrt applaudiert. Dieser Skandal besiegelt den Absturz der Familie Mozart. Für Amadeus bedeutet der verlorene Posten vor allem gekränkte künstlerische Eitelkeit. Für seine Schwester Maria Anna (Havana Joy, „Love sucks“) hingegen wird es existenziell: Ihr Vater Leopold (Peter Kurth, „Franz K.“, „Totenfrau“) plant, sie aus finanzieller Not zwangszuverheiraten. Realität für viele Frauen des 18. Jahrhunderts, deren Körper, Zukunft und Talent den Entscheidungen der Väter unterlagen. Also fliehen die Geschwister nach Wien – err auf der Suche nach musikalischer Freiheit, sie auf der Flucht vor einer erzwungenen Ehe.

Wien: Schauplatz eines Geschwisterdramas

In Wien entfaltet sich das große Drama. Mozart duelliert sich mit dem Hofkapellmeister Salieri (Eidin Jalali, „Der Schwarm“), der zuvor Maria Annas Kompositionen gekauft und als seine eigenen ausgegeben hat. Währenddessen entwickelt sich zwischen Maria Anna und eben jenem Rivalen eine überraschende, konfliktreiche Zuneigung, die mit Rivalität und Verrat verflochten ist. Auf der Suche nach einer Unterkunft landen die Geschwister in einer kleinen Pension, wo Amadeus sich Hals über Kopf in Constanze (Sonja Weißer, „Maxton Hall“), die Tochter der Besitzerin, verliebt. Sie ist ein kreativer Freigeist und wird schnell Teil dieser improvisierten Künstlerfamilie. Zusammen tanzen sie nachts ums Feuer, treiben sich auf Jahrmärkten herum und träumen von einer Zukunft, in der Kunst und Liebe frei sein dürfen. Während Amadeus’ Ruhm langsam wieder wächst, nimmt auch sein Schmerzmittelkonsum zu. Kurz vor einem Auftritt vor dem Kaiser (Philipp Hochmair, „Die Wannseekonferenz“) und der zu Besuch weilenden Marie Antoinette (Verena Altenberger, „Das Leben der Wünsche“) betäubt er sich mit Alkohol und Medikamenten. Seine Schwester ist gezwungen, unter größter Nervosität einzuspringen. Hier zeigt die Serie eindrücklich ausdrücklich, wie eng beide musikalisch miteinander verwoben sind und wie nah sie ihm in Talent und Genialität steht. Doch der familiäre Druck eskaliert, als Amadeus‘ Gesundheitszustand sich verschlechtert und Vorwürfe, Schuldgefühle sowie fehlende Anerkennung einen Keil zwischen die beiden Wunderkinder treiben.

Zwischen Pop, Klassik und Rebellion 

Es wird in „Mozart/Mozart“ bewusst auf stilistische Brüche gesetzt. Klassische Musik trifft auf Elektropop und moderne Sounds. Komponistin Jessica de Rooij entwickelte gemeinsam mit Acts wie Ätna eine zeitgenössische musikalische Sprache, die Mozarts Innovationsgeist in die Gegenwart überträgt. Auch die moderne Besetzung mit bekannten Gesichtern aus „Euphorie“, „Love Sucks“ oder „Maxton Hall“ schafft einen unmittelbaren Zugang zur Geschichte. „Mozart/Mozart“ möchte weder Museum sein noch trockene Biografie. Die Serie ist Entertainment mit einer klaren Botschaft: Frauen wie Maria Anna wurden über Jahrhunderte übersehen und ihrer Stimme beraubt. Die moderne Inszenierung erreicht besonders junge Zuschauer:innen, ohne sie mit klassischen Erzählmustern zu verlieren. In sechs Episoden wird eine Welt entworfen, in der Maria Anna sich hätte entfalten können, wenn sie nur gedurft hätte. Und das macht die Serie so stark: Sie öffnet Türen zu Vorstellungen, Möglichkeiten, Alternativen. Zu all dem, was hätte sein können. Das Ergebnis ist eine laute, bunte Show über Freiheit, Talent und Mut. Nicht historisch korrekt und genau deshalb eine Rehabilitierung von Mozarts Schwester als eigenständige künstlerische Kraft.

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