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„Mum“ mit Lesley Manville: Eine Sitcom über Trauer – geht das?

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Cathy (Lesley Manville) hat es nicht immer leicht mit Sohn Jason (Sam Swainsbury) und seiner Freundin Kelly (Lisa McGrillis). (Foto: ARTE F/Big Talk Productions)

Der britische Star spielt die frisch verwitwete Cathy in einer subtilen Komödie über Trauer und Verständnis. Alle drei Staffeln auf Arte und in der Mediathek.

Ist es nur Anglophilie, wenn man den britischen (und irischen) Sitcoms generell ein höheres Niveau unterstellt als den deutschen? Dabei geht es nicht mal unbedingt um Konzepte und Drehbücher, wohl aber um die Schauspieler:innen. Nichts gegen Anke Engelke und Bastian Pastewka, die gerade in „Perfekt verpasst“ zu sehen sind. Aber wie wahrscheinlich ist es, dass sie bald für einen Oscar nominiert werden? Lesley Manville, Star der britischen Sitcom „Mum“, die ab sofort in allen drei Staffeln in der ARTE-Mediathek startet und ab dem 5. September linear auf Arte läuft, wurde für ihre Nebenrolle in „Phantom Thread“ diese Ehre zuteil. Neben jeder Menge anderer, unter anderem hat sie in vielen Filmen von Mike Leigh mitgespielt und in „The Crown“ Princess Margaret.

Doch zwischen 2016 und 2019 war sie eben auch „Mum“. So etwas gibt es im deutschen Sprachraum eher selten – oder doch nicht, immerhin war Sandra Hüller in „Fack ju Göhte 3“ zu sehen. Fest steht: Manville – und einige ihrer Kolleg:innen – könnten für eine klassische Sitcom als überqualifiziert gelten. Zum Glück ist „Mum“ das aber auch gar nicht, das macht schon die erste Folge klar. Darin bereitet sich Cathy (Manville) auf die Beerdigung ihres Mannes David vor, der nach langer Krankheit verstorben ist. Ihr eher minderbemittelter Sohn Jason (Sam Swainsbury) ist ihr dabei keine Stütze, ebenso wenig wie seine Freundin Kelly (Lisa McGrillis), die Cathy zum ersten Mal trifft. Die stellt sich als herzensgute, aber strunzdumme Frau heraus, die alles ausspricht, was ihr durch den Kopf geht. Cathys Bruder Derek (Ross Boatman) steht unter der Fuchtel seiner schnöseligen Freundin Pauline (Dorothy Atkinson), und die Schwiegereltern giften sich nur an. Nur Cathys Alter Freund Michael (Peter Mullan), der heimlich in sie verliebt ist, bietet Stabilität …

„Mum“ auf Arte: Keine Angst vor großen Themen

Tod und Trauer, unglückliche Liebe, Enttäuschungen: „Mum“ schreckt nicht vor großen Themen zurück. Auf diese Weise steht die Serie in der Tradition von Shows wie „The Office“, denn sie will nicht nur zum Lachen bringen, sondern auch zum Nachdenken und gar zum Weinen. Auch die vielen unangenehmen Konversationen, die Cathy mit ihrer Familie hat, passen zu diesem Erbe, sind sie doch manchmal nah an cringe comedy. Große Lacher sind generell selten, meist überwiegt das Schmunzeln und das Lächeln, wenn es um die warmen Momente geht. Denn „Mum“ hat eine Menge Herz: Cathy begegnet ihren anstrengenden Familienmitgliedern mit jeder Menge Geduld und Verständnis, die sich dafür als unerwartet komplex und sympathisch erweisen.

Cathys alter Freund Michael (Peter Mullan) kommt schon mal am Valentinstag vorbei. Foto: Foto: ARTE F/Big Talk Productions

Das ungewöhnliche Format tut sein übriges, um die Serie von einer klassischen Sitcom abzugrenzen. Jede Folge spielt ausschließlich in Cathys engem Haus, und quasi in Echtzeit. Während die Folgen der ersten beiden Staffeln jeweils an einem Tag in einem jeweils anderen Monat spielen, erstreckt sich die dritte Staffel lediglich über sechs Tage. Alle Folgen wurden von Serienerfinder Stefan Golaszewski geschrieben, der ab der zweiten Staffel auch exklusiv Regie führt. Das alles trägt zu einer denkbar intimen Atmosphäre bei: „Mum“ ist wie aus einem Guss.

Nicht immer lustig, dafür bewegend

Natürlich glänzt Lesley Manville in der Hauptrolle. Ihre Cathy ist zerbrechlich und stark, kontrolliert und wam zugleich. In kleinen Momenten, etwa wenn sie versucht, ihre Trauer um David zu unterdrücken, erweist sich Manville einmal mehr als Schauspielerin von Weltrang. Aber auch ihre Co-Stars überzeugen und sorgen immer wieder für überraschende Momente, in denen ihre Figuren unerwartete Tiefe zeigen. Die sich langsam anbahnende Romanze zwischen Cathy und Michael – ein Klischee, das schon viele Sitcoms von „Friends“ bis „Community“ eher belastet als bestärkt hat – kann auch hier in ihrer Vorhersehbarkeit ermüden, ist aber von Manville und Mullan so subtil und überzeugend gespielt, dass sie dann doch mitreißt. Insgesamt ist „Mum“ zwar nicht so lustig, wie man sich das von einer Comedy-Serie wünscht. Dafür aber so gut gespielt und so bewegend, dass man trotzdem weiterschaut. So etwas könnte es hierzulande auch gern öfter geben – nur bitte nicht noch ein Remake!

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