Nach der großen Freiheit
Lange Zeit war ungewiss, ob es mit dem Bombay Bicycle Club überhaupt weitergeht. Doch die Londoner Band brauchte einfach nur ein paar Jahre, in denen ihnen niemand die Klamotten für den nächsten Tag rauslegt.Interview: Carsten Schrader
Jack, nach der Tour zu eurem letzten Album „So long, see you tomorrow“ habt ihr Bombay Bicycle Club im Januar 2016 für unbestimmte Zeit auf Eis gelegt. Stand auch die Möglichkeit im Raum, dass es für die Band gar kein Morgen mehr geben könnte?
Jack Steadman: Absolut, wir haben sogar unser gesamtes Equipment verkauft, um die Situation komplett offen zu halten und frei von allen Sachzwängen zu sein. Natürlich ist es ein bisschen bekloppt, weil wir jetzt alles wieder anschaffen mussten, aber die Aktion war wichtig, um unsere Köpfe wirklich freizubekommen.
Ihr seid ausgebrannt, obwohl ihr euch stets um Innovationen bemüht und Indierock spannend gehalten habt.
Steadman: Konventionelle Gitarrenmusik ist extrem langweilig, und völlig zu Recht sind in den letzten Jahren so viele Bands auf dem Indierock-Friedhof gelandet. Aber die kreative Perspektive war für uns nie das Problem: Es gibt noch so viele Elemente der elektronischen Musik und ganz unterschiedliche Einflüsse aus der ganzen Welt, die ich mit unserer Band zusammenbringen möchte. Wir waren nur irgendwann einfach gelangweilt und genervt, wenn wir etwa zum zehnten Mal innerhalb eines Sommers bei einem Festival gespielt haben. Es brauchte den Blick von außen, um zu sehen, ob die Begeisterung noch da ist und wir es wieder wertschätzen können.
Wie genau habt ihr das gemerkt?
Steadman: Für mich war es total wichtig, als Mr. Jukes eine Soloplatte zu machen und ohne Bandstruktur zu arbeiten. Wir alle brauchten diese drei oder vier Jahre in der wirklichen Welt, um erwachsen zu werden. Wenn du von 16 an in einer Band spielst, gibt es fast immer jemanden, der dir sagt, wo du zu sein hast, was als nächstes zu tun ist und was du anzuziehen hast. (lacht) Wir alle brauchten eigene Projekte für unser Selbstwertgefühl. Aber dann habe ich nicht nur vermisst, mit den anderen Musik zu machen. Ich wollte auch wieder mit ihnen abhängen und um die Welt reisen.
Auf der neuen Platte klingt ihr so optimistisch und unbeschwert wie nie zuvor.
Steadman: Das ist wohl vor allem der Dunkelheit geschuldet, die uns derzeit umgibt – und gegen die wir rebellieren wollten. Meiner Meinung nach ist man als Künstler in Zeiten wie dieser in der Pflicht, die gesellschaftspolitische Situation in den Blick zu nehmen: Entweder bildest du direkt ab und kommentierst, was passiert, oder du suchst nach einem Gegenmittel, das Kraft gibt, um durchzuhalten. Uns liegt die zweite Variante deutlich besser.
Hat es euch Mut und Überwindung gekostet, so viel Eingängigkeit zuzulassen?
Steadman: Das haben wir nicht zuletzt der Arbeit mit Produzent John Congleton zu verdanken. Früher haben wir jedes Detail zerdacht und überarbeitet. John hat uns dazu ermutigt, nicht immer perfekt klingen zu müssen und auch mal eine Hookline direkt wirken zu lassen statt sie hinter einer unvorhersehbaren Wendung wieder halb zu verstecken.
Wenn es in den Texten auf „Everything else has gone wrong“ vor allem um die Suche von Um-die-Dreißigjährigen nach einem Platz in der Welt geht – spielt der Albumtitel auch auf deinen langjährigen Plan an, ein Jazz-Café in London zu eröffnen?
Steadman: Das ist immer noch in der Planungsphase, und wenn wir jetzt wieder mit der Band auf Tour gehen, kann ich mich auch von Cafés in Japan oder den USA inspirieren lassen. (lacht) Ursprünglich habe ich mal gedacht, ein Jazz-Café ist mein Schritt ins Erwachsenenleben – aber es ist wohl eher was für den Ruhestand.