Nature is killing: „Schnee“ auf Arte
Die deutsch-österreichischen Thrillerserie fährt einen mysterösen Todesfall, übernatürliche Begegnungen und innerfamiliäres Drama auf – ist das zu viel?
Weil Tochter Alma (Laeni Geiseler) an außergewöhnlich starkem Asthma leidet, zieht es die Familie Salinger-Hofer von Wien nach Oberösterreich. Die klare Bergluft soll das eh schon sensible Kind heilen, und überhaupt können Ärztin Lucia (Brigitte Hobmeier) und Café-Besitzer Matthi (Robert Stadlober) eine Auszeit mit ihren zwei Kindern gut gebrauchen. Eigentlich könnten die Vorzeichen kaum besser sein: Das opulente Chalet, in das die vier einziehen werden, liegt an einem wunderschönen Berghang in Matthias’ Heimatdorf Rotten und gehört glücklicherweise auch noch seinen Eltern. Und so ist die Flucht aus Wien auch eine Heimkehr. Bloß beschleicht Lucia allmählich das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt: Die wirre Nachbarin droht der Familie, die Schwiegereltern geben sich unerklärlich feindselig, im Haus breitet sich ein seltsamer Schimmel aus, aus dem abgeschlossenen Keller kommen dröhnenden Geräusche.
Als Alma eines Nachts von einer geheimnisvollen Frau einen Ring überreicht bekommt, sich am nächsten Tag herausstellt, dass diese Frau die vor über 40 Jahren verunglückte Aktivistin Marianne sei, und Lucia ebenfalls unheimliche Erfahrungen macht, ist klar: Hier geht es nicht mit rechten Dingen zu. Scheint Schnee (ab sofort in der Arte-Mediathek) zunächst ein düsterer Mystery-Thriller zu sein, lugt zunehmend eine Krimigeschichte hinter der gespenstischen Atmosphäre hervor – und das ist der Knackpunkt.
„Schnee“ auf Arte: Mensch vs. Natur
Die österreichisch-deutsche Koproduktion spielt mit dem Übernatürlichen, um uns das Natürliche näherzubringen. Denn wenn Wölfe und Steinböcke plötzlich wie aus dem Nichts auftauchen, Tote an Fenster klopfen und der Berg mit uns zu sprechen scheint, ist dies nur die Natur, die sich gegen die völlige Ausbeute durch den Menschen wehrt. Für das vom Aussterben bedrohte Dorf gibt es nur noch eine Rettung – und die heißt Tourismus. Matthis Vater will mit einem Luxushotel und einem aufgemotzten Skigebiet dafür sorgen, dass Rotten endlich wieder im Glanz alter Zeiten erstrahlt. Auf Kosten der Natur. Und allen Aktivist:innen?
So wie der unter der Oberfläche brodelnden Kampf zwischen Natur und Zivilisation eine knisternde Spannung erzeugt, lassen sich sowohl die Dorfmitglieder als auch die Familie Salinger-Hofer spalten. Während Lucia zunehmend in Matthis Eltern das Unheil erkennt und Alma wie hypnotisiert von der Natur angezogen wird, ringt Matthi sogar mit dem Gedanken, das Hotel seines Vaters zu übernehmen, und Sohn Jonas (Paolo di Sapia) will unbedingt seinem Opa helfen und auch mal mit der Pistenraupe fahren. Diese zwei innerfamiliären Perspektiven und der unerklärliche Todesfall sind die absolute Stärke der Thrillerserie.
Allerdings übernimmt sich Schnee ein wenig mit dem steten Wechsel von Mystery und Krimi, was soweit führt, dass Alma plötzlich zur Prinzessin Mononoke Oberösterreichs wird und den Ring Frodos um den Hals baumeln hat. Nebenbei webt die Serie Diskurse zum Klima und übers Muttersein ein, was nicht mal schlecht gelöst ist, in der Summe dann aber etwa bemüht wirkt. Es bleibt abzuwarten, ob die Serie in der zweiten Hälfte dieses komplexe Bündel entwirrt und wieder logisch zusammensetzen kann. Ansonsten bleiben viele Fragezeichen wie etwa damals bei „Dark“, wo die Suspense-Idee schon einmal etwas überdreht wurde.