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Nina Laurin: Escape – Wenn die Angst dich einholt

Mit „Escape“ macht Nina Laurin das Opfer und nicht den Täter zur Hauptperson eines Thrillers.

Oxycontin, Adderall und Xanax helfen nicht gegen Narben. Laine betäubt mit den Tranquilizern, Schmerzmitteln und Muntermachern aber zumindest ihre psychischen Wunden. Als Zehnjährige wurde sie entführt, in einen Keller gesperrt und drei Jahre immer wieder von einem maskierten Mann vergewaltigt. Nachdem ihr hochschwanger die Flucht gelang, verhilft man ihr zu einem Neustart: Das Kind kommt zu Adoptiveltern, sie zunächst in Therapie und mit Psychotante und neuer Identität hat sie jetzt wenigstens etwas Halt bekommen.

Zehn Jahre später ist der Täter immer noch nicht gefasst. Als das Mädchen Olivia gesucht wird, ahnt Laine, dass es ihre Tochter ist. Hat das Schwein von damals wieder zugeschlagen? Detektive Ortiz sucht Laine auf, damit sie ihm und Olivias Adoptiveltern bei der Suche hilft. Doch Laine weiß nicht, ob sie sich und anderen überhaupt noch trauen kann.

Frau im Keller – ein stark strapaziertes Stereotyp, dass mit dem Boom von Entführungs- und Folterszenarien im Thrillergenre Bestseller garantiert. Die Faszination an bestialischen Menschen, die ihr perverses Spiel treiben, ist ungebrochen. Doch die kanadische Autorin Nina Laurin bedient mit ihrem spannenden Thriller keine abgedroschenen Erzählmuster. Vielmehr erzählt sie den Kampf ihrer Figur gegen Identitäts- und Vertrauensverlust nach dem Martyrium. Sie zeigt eindrücklich, wie Laine sich zwingen muss, zusammen mit Detektive Ortiz Erinnerungen wachzurufen, die sie bislang verdrängt hat, um ihre Tochter und somit sich selbst zu retten. Nina Laurin macht das Opfer und nicht den Täter zur Hauptperson ihres Thriller. Zumindest Laine ist damit vom Frau-im-Keller-Klischee befreit. nh

Nina Laurin Escape – Wenn die Angst dich einholt

Knaur, 2018, 352 S., 14,99 Euro

Aus d. Engl. v. Alice Jakubeit

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