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Nora Bossong: Rotlicht

Nora Bossong macht in „Rotlicht“ alles richtig. Sie nimmt mit dem Komplex Pornografie/Sexarbeit ein gesellschaftlich relevantes Thema, zu dem sie mit dem Interesse an moralischen Graubereichen einen persönlichen Zugang hat. Sie führt lange Gespräche, mit unterschiedlichen Seiten, sie bemüht sich, ihre Perspektive zu wechseln. Sie geht dahin, wo es wehtut, in den Swingerclub, ins Laufhaus, auf die Sexmesse. Und sie hinterfragt die eigenen Recherchen immer wieder, sie fragt: Ist die Sexarbeiterin, die sie gerade interviewt, ein Profi im Vorspiel falscher Tatsachen? Erzählt die Frau ihr genau das, was sie hören will, ebenso wie sie einem Freier das Gefühl gibt, der beste Stecher aller Zeiten zu sein? Und dann das Terminologiethema: Beschönigt man, wenn man von „Sexarbeit“ spricht, diskriminiert man, wenn man von „Prostitution“ spricht?

Alles total kompliziert, und Bossong stellt sich dem Komplizierten mit offenem Visier. Und doch ist „Rotlicht“ ein misslungenes Buch. Weil Bossong zwar behauptet, alle Seiten zu sehen, am Ende aber genau dieselbe Haltung hat wie zu Beginn: Sexarbeit ist Ausbeutung, Swinger sind Spießer, im Pornokino ist es eklig. Die Autorin schaudert es ein wenig, sie hat den Schritt über die Schwelle gewagt und gesehen, was sie erwartet hat. Das ist allerdings vollkommen erkenntnisfrei, Bestätigungsliteratur, die nichts mehr davon ahnen lässt, dass die Halbwelt, das titelgebende „Rotlicht“ einen Reiz ausstrahlt, der deutlich über ein „Besser, man berührt im Sexkino so wenig wie irgend möglich“ hinaus weist

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