Auf der Anklagebank: Deutschland
Im Film „Ökozid“ wird Deutschland wegen seiner schlechten Klimapolitik verklagt. Regisseur Andres Veiel blickt in eine düstere Zukunt.
Wir schreiben das Jahr 2034, die Bundesrepublik Deutschland wird vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag von 31 Staaten des globalen Südens für ihre fahrlässige Klimapolitik verklagt. Da der Internationale Gerichtshof in Den Haag wegen massiver Sturmfluten nicht tagen kann, hat er seinen Sitz provisorisch nach Berlin verlegt, wo er seine Arbeit aufnimmt. Die Fragestellung des Films „Ökozid“ ist zunächst grundsätzlicher Natur: Darf ein internationales Gericht in die Souveränität eines Staates eingreifen und von ihm eine bessere Klimapolitit verlangen? Anklage wie Verteidigung laden neben Wissenschaftlern auch politische Verantwortungsträger wie die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel in den Zeugenstand. Den Running Gag liefert Gerhard Schröder, der als geladener Zeuge nie erscheint, weil er wegen dringender medizinischer Betreuung in Russland weilt und nicht bereit ist anzureisen – ständig muss das Gericht sich neu mit einer möglichen Reaktion Schröder gegenüber befassen, der das Gericht einfach ignoriert.
Der Film „Ökozid“ von Regisseur Andres Veiel ist ein penibel genau recherchierter Film. Sowohl juristisch als auch politisch und nicht zuletzt vor allem wissenschaftlich wasserdicht, ist „Ökozid“ dramaturgisch wegen seiner Lehrbuchhaftigkeit an manchen Stellen trotz Starbesetzung – Nina Kunzendorf, Edgar Selge, Ulrich Tukur – etwas langatmig geraden, und das will bei einem 90-Minüter schon etwas heißen. Dennoch: In der Mediathek der ARD finden sich Kurzinterviews von Vertretern maßgeblicher NGOs, und alle sind überaus glücklich mit diesem Film, der für sie beste fiktionale Darstellung realer politischer Begebenheiten zum Thema Klimapolitik darstellt. Doch der Film ist – obwohl als Schwerpunkt der Themenwoche vorgestellt – angesichts der großen Themen in den weiteren Dokumentarfilmen überhaupt kein Schwerpunkt. Ein Film über Fridays for Future, einer über eine Welt ohne Autos oder ohne Fleisch machen das Thema nicht rund, das wäre der falsche Ausdruck angesichts der Ernsthaftigkeit des Themas, nein: die Filme bilden die Problematik der Klimakatastrophe in all ihrer Komplexität ab. Hier ist der ARD ein ganz großer Wurf gelungen. jw