Oneohtrix Point Never: Age of
Plötzlich Pop: Es lohnt sich, im neuesten musikalischen Irrgarten von Oneohtrix Point Never nicht gleich den Ausgang zu suchen, sondern in ihm zu verweilen.
Als wäre das neue Album von Daniel Lopatin alias Oneohtrix Point Never musikalisch noch nicht (über)fordernd genug, liefert der umtriebige Avantgardemusiker einen Referenz-Unterbau mit, der von dem Philosophie- und Performancekunst-Kollektiv Cybernetic Culture Research Unit über den Renaissance-Schriftsteller François Rabelais bis hin zum Robin-Williams-Kuriosum „Toys“ reicht. „Age of“ funktioniert somit als Einblick in das eklektische Interessenspektrum, das Lopatins ausufernde Soundexkursionen erst möglich macht – das allein wäre schon ziemlich viel, und doch ist das Album noch viel mehr: Die Leerstelle im Titel verweist bereits auf die Unübersichtlichkeit, die zum bestimmenden Gefühl der Gegenwart geworden ist – und seit jeher ein Charakteristikum von Lopatins Musik. Diese konnte man bisher als dekonstruktivistisch verstehen, doch nach dem beschwerlichen ersten Hördurchgang von „Age of“ zeichnet sich ab, dass Lopatin hier vielmehr an einer Rekonstruktion interessiert ist: Die Suche nach dem Pop als einzige Sicherheit inmitten von Chaos und Entfremdung ist der Dreh- und Angelpunkt der Platte. Das wird am deutlichsten in „We’ll take it“, in dem sich das Organische und das Künstliche in Form von Meeresrauschen und Maschinendissonanzen aneinander reiben, bis James Blake eine rettende Synthiemelodie in die kakofonischen Breaks pflanzt; und setzt sich fort im zentnerschweren „Same“, dem Anohnis Stimme und ein Chor sakrale Erhabenheit verleihen. Die Platte schließt ab mit dem soundscapeartigen „Last known Image of a Song“ – und wenn man dann erneut mit den Arpeggios der barocken Experimental-Elektronik des Titeltracks beginnt, dann konkretisieren sich die flüchtigen Erinnerungen an diffuse Lichtpunkte im dunklen Klanglabyrinth tatsächlich zu ungeahnt zarten Popankern. sb