„Oskars Kleid“: Coming-of-Age-Komödie von Florian David Fitz
Wenn der eigene Sohn plötzlich ein Mädchen sein will, sorgt das immer noch für heftigen familiären Widerstand. Florian David Fitz, Drehbuchautor und Hauptdarsteller in „Oskars Kleid“, weiß, was da hilft.
Florian David Fitz, das Drehbuch zum Film „Oskars Kleid“ stammt von Ihnen, Sie spielen die Rolle des Vaters, der viel dazulernen muss. Was war die Initialzündung zu diesem Film?
Florian David Fitz: Interessanterweise und – angesichts der momentanen Front zwischen manchen Altfeministinnen und der Transcommunity vielleicht auch pikanterweise – kam der Impuls dazu ausgerechnet von Alice Schwarzer. Wir hatten nach einer Talkshow einen echt netten Abend bei mittelmäßigem Wein. Danach hat sie mir ein Alice-Schwarzer-Carepaket zukommen lassen. Darin die Zeitschrift Emma, und in der wiederum ein Bild, an dem ich klebengeblieben bin. Ich dachte, das wäre ein tolles Ende für einen Film, und was wäre wohl die Geschichte, die dort hingeführt hat?
„Oskars Kleid“ ist den Familien gewidmet, die ihre Erfahrungen zum Thema Transkinder mit Ihnen geteilt haben. Was hat es davon in den Film geschafft?
Fitz: Die besten Geschichten kommen traditionellerweise aus dem Leben. Die tragischlustigste Geschichte war zwar im Buch, hat es aber leider nicht in den Film geschafft: Eine Mutter wollte den neuen Namen ihres Kindes auf ihren Arm tätowieren lassen, wo allerdings auch schon der alte stand. Der Tätowierer fragte: Mann, Freund, Verlobter? Sie: Kind. Er: Dann mach ich’s. Ich weigere mich bei Liebhabern. Die ändern sich dauernd, aber Kindernamen mache ich, die bleiben. Worauf sie lachender Weise in Tränen ausbrach.
Die familiären Konflikte stehen bei „Oskars Kleid“ im Mittelpunkt. Aktuell verhärten sich bei politischen Themen die Fronten in vielen Familien. Pandemie, Ukraine-Krieg und Genderdebatten werden zu Streitthemen. Haben Sie bei der Recherche zum Film auch Wege entdeckt, zurück zu einem konstruktiveren Diskurs?
Fitz: Puh. Ich glaube in den Familien, die damit wirklich konfrontiert sind, geht es sehr schnell weg von diesen theoretisch angehauchten Rechthaberdebatten. Da hat man am Ende viel realere Interessen, nämlich das Glück seines Kindes. Ich sehe uns in einer eigenartigen Phase der Verhärtung. Neuerdings nicht mehr nur auf der traditionell rechten Seite, sondern zunehmend auch auf der progressiven, der alles nicht schnell genug geht. Ich glaube, wir dürfen alle mal wieder durchatmen und gucken, wie massiv sich die breite Gesellschaft in den letzten hundert und sogar in den letzten zwanzig Jahren sensibilisiert hat. Und dann lasst uns mit ein bisschen mehr Offenheit, Geduld und Humor weiterarbeiten.
Im Film werden immer wieder, wenn auch nicht explizit, die Stimmen laut, die Oskar/Lili „nur eine Phase“ unterstellen. Diese Meinung ist ziemlich ignorant, oder?
Hm, so einfach ist es ja leider auch wieder nicht. Es besteht ja wirklich die Möglichkeit, dass es eine Phase ist. Aber eben auch die Chance, dass es keine ist. Die Herausforderung für die Eltern ist doch, gerade nicht aus eigenen Motiven, bewusst oder unbewusst, in die eine oder andere Richtung zu schieben oder zu ziehen. Und dasselbe gilt für die Gesellschaft. Es ist eben alles außer einfach, und Rechthaben ist da einfach keine hilfreiche Kategorie. Alles, was man machen kann, ist, seinem Kind zuzuhören und sich liebend gemeinsam voranzutasten. Aber genau diese Dilemmata, die uns auch die betroffenen Eltern geschildert haben, sind ja so wahnsinnig berührend und interessant.
In einer Szene holt sich Ben Rat bei einer Transfrau ein. Sie beklagt den fehlenden gesellschaftlichen Humor, wenn es um Genderdebatten geht. Wie sollte dieser Humor aussehen?
Fitz: Es gibt so eine Tendenz, Ernsthaftigkeit und Ernst zu verwechseln. Humor ist unsere einzige Waffe im Angesicht der Vergeblichkeit des menschlichen Strebens – um mal die ganz große Glocke zu läuten. Praktisch jeder zweite jüdische Witz basiert darauf. Es geht nicht immer darum, zu lachen, weil alles so supertippitoppi ist. Das ist nicht Kunst. Ein lachendes und ein weinendes Auge, etwas Distanz zu sich selber und trotzdem Leidenschaft in der Sache. Die zwei, drei Personen unter den acht Milliarden, die das hinkriegen, bekommen von mir einen Paniniaufkleber in ihr Album der Erleuchtung.
Interview: Felix Eisenreich
Lies hier unsere ausführliche Rezension zu „Oskars Kleid“.