„Glory“ von Perfume Genius: Alles unter Kontrolle?

„My entire life, it’s fine“, singt Mike Hadreas alias Perfume Genius auf seinem neuen Album. Doch natürlich stimmt das nur bedingt.
Womöglich geht es ihm gut wie lange nicht, doch gleich im Opener des mittlerweile siebten Perfume-Genius-Albums macht Mike Hadreas eben auch eine entscheidende Einschränkung: „What do I get from being established? I still run and hide when a man’s at the door“, heißt es in „It’s a Mirror“. Egal, wie viel Anerkennung der 43-jährige Songwriter für seinen Artpop bekommen, und egal, in wie vielen düsteren Songs er sich den eigenen Dämonen gestellt hat: Die Wunden, die homophobe Übergriffe, Depression und Selbstverletzungen hinterlassen haben, werden nie ganz verschwinden, und noch immer gibt es Tage, an denen er sein Haus in L.A. nicht verlassen mag. Trotzdem ist „Glory“ sein bisher eingängigstes Werk, das mit „It’s a Mirror“ und dem Aldous-Harding-Duett „No Front Teeth“ zwischen Folk und Indierock startet und im Mittelteil mit der Pianoballade „Me & Angel“ eine herzergreifende und komplett unpeinliche Liebeserklärung an seinen langjährigen Partner Alan Wyffels auffährt. Hadreas setzt das Älterwerden und die Vergänglichkeit als zentrale Themen, endet mit dem experimentellen Titelsong aber dennoch versöhnlich: „Now in quiet glory/Finding shade“.
Vielleicht ist es der Song „In a Row“, der seine momentane Verfasstheit am besten abbildet. Das Stück belächelt die Klischeevorstellung, dass nur unglückliche, am Boden liegende Künstler:innen wirklich Großes erschaffen können. Doch obwohl es Hadreas mittlerweile besser weiß, hat auch er selbst diesen Glauben bis heute noch nicht ganz hinter sich lassen können. „Schon als Zehnjähriger habe ich den Entschluss gefasst, mit dem Rauchen anzufangen, und als ich dann mit 14 ganz viele Romane gelesen habe, wollte ich unbedingt in die Großstadt ziehen und drogenabhängig werden – was ich ja nur wenige Jahre später in New York auch umgesetzt habe“, erinnert er sich und lächelt ertappt. „Viel von meiner Musik ist durch diese Suche nach dem Drama geformt, aber die vermeintlich depressivsten Songs habe ich geschrieben, als ich extrem glücklich gewesen bin, auf Antidepressiva und komplett nüchtern“, ergänzt er und giggelt jetzt. „Vielleicht verschieben sich die Themen ein wenig, aber heute weiß ich, dass ich all das eigentlich nicht brauche, um etwas Intensives oder auch Verstörendes zu schreiben.“