Poliça: Sturz ins Leben
Nach einem schweren Unfall sucht Poliça-Sängerin Channy Leaneagh die angstfreie und brutal ehrliche Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit.
Channy, während der Arbeit am vierten Poliça-Album hattest du einen schweren Unfall: Nachdem du beim Eiskratzen vom Dach deines Hauses gestürzt bist, musstest du monatelang ein Korsett tragen und konntest dich nur sehr eingeschränkt bewegen. Hast du deinem Arzt die Platte zukommen lassen? Sein Ratschlag, dich nicht nur auf die körperliche Heilung zu fokussieren, sondern auch die Wut und die Angst loszuwerden, war ja sehr inspirierend.
Channy Leaneagh: Was meine Musik betrifft, bin ich sehr schüchtern, und bisher habe ich die Platte nicht mal meinen Eltern vorgespielt. Mein Arzt ist auch sehr selbstlos und würde seinen Einfluss garantiert komplett leugnen. Tatsächlich habe ich auch lange gebraucht, um mich auf das Gedankenspiel einzulassen, dass ich nicht auf dem harten Boden gelandet bin, sondern von einer Wolke aufgefangen wurde. Aber es geht nicht darum, Dinge zu leugnen oder sich traumatischen Erfahrungen nicht zu stellen. Als ich das verstanden habe, konnte ich diese Methode für Songs wie „Be again“ oder „Feel Life“ auch auf andere Vorfälle aus meiner Vergangenheit anwenden.
Tendierst du dazu, dich vom Leid lähmen zu lassen?
Leaneagh: Tatsächlich habe ich durch mein Songwriting schon immer versucht, Dinge hinter mir zu lassen. Vielleicht geht es darum, den Wendepunkt schneller zu finden und genau zu schauen, wo die Grenze zwischen kritischer Reflexion und Selbstzerfleischung verläuft. Ich möchte stark sein und mein Leben nicht von Ängsten bestimmen lassen.
Meditierst du seit dem Unfall?
Leaneagh: Als ich so viel Zeit im Bett verbringen musste, ging das sehr gut, aber generell habe ich dafür leider zu viel Energie. Mittlerweile beschränkt es sich vor allem auf Yoga und lange Spaziergänge ohne Kopfhörer.
Hat Ryan Olson auf deine Texte reagiert und dir extra sehr schwere und zugleich eingängige Beats gebaut, um dich aufzufangen?
Leaneagh: Lustigerweise hatte er die schon vor dem Unfall fertig. Generell wollten wir den Gesang stärker nach vorne holen und meine Stimme nicht mehr so arg verfremden. Nach neun Jahren hat man da einfach sehr viel durchgespielt, und mittlerweile machen das ja auch so viele.
Was überrascht dich selbst an „When we stay alive“ am meisten?
Leaneagh: Manchmal erschrecke ich mich, wie barsch ich in meinen Texten über die Menschen aus meinem engsten Umfeld schreibe. Okay, eigentlich ist es gar nicht so überraschend, weil ich auch außerhalb der Musik oft sehr rau mit ihnen umgehe. (lacht) Glücklicherweise kennen sie mich so gut und wissen, dass ich mit brutaler Ehrlichkeit vor allem meine Liebe ausdrücke.
Interview: Carsten Schrader
When we stay alive erscheint am 31. Januar. Das neue Album von Poliça könnt ihr hier bei Amazon bestellen.
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