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Alte neue Kämpfe: Norwegens Merkel in „Powerplay“ im NDR

„Powerplay – Smart Girls go for President“ verhandelt mit feministischer Einfärbung das Verhältnis von Macht, Idealismus und Pragmatismus.
„Powerplay – Smart Girls go for President“: Macht, Idealismus und Pragmatismus (Foto: NDR/Motlys/Erika Hebbert)

Die Mockumentary „Powerplay“ setzt den Kämpfen der ersten norwegischen Ministerpräsidentin ein Denkmal – unterhaltsam und erschreckend aktuell.

Ob die Geschichte ein Kreislauf ist? Mit Sicherheit nicht. Und doch wiederholen sich Dinge, Themen kehren zurück, und die Vergangenheit zehrt unerbittlich an der Gegenwart und platziert überall kleinen Stolpersteine, sodass auf drei Schritte nach vorn zwei zurück folgen. Kitschig formuliert: Die Vergangenheit wird zum Spiegel unserer Gegenwart. Und schaut man konzentriert genug hinein, tun sich hilfreiche Rückschlüsse auf. So hält es auch die deutsch-norwegische Mockumentary-Serie Powerplay – Smart Girls go for President (ab sofort in der ARD-Mediathek), die in die späten 1970er-Jahre Norwegens eintaucht – wobei das so auch nicht ganz stimmt. Vielmehr presst sie die ausgehenden 1970er-Jahre ins Hier und Jetzt.

„Powerplay – Smart Girls go for President“: Ab sofort in der ARD-Mediathek

Powerplay erzählt die Geschichte von Gro Harlem Brundtland (Kathrine Thorborg), der ersten Frau im Amt der Ministerpräsidentin in Norwegen. Eine Geschichte, die, wie es vorweg augenzwinkernd heißt, auf „Wahrheit, Lügen und miesen Erinnerungen“ basiert und wohl einer der ikonischsten Frauen im großen Politzirkus huldigt. Einer Ärztin, die zunächst als Spielball in die norwegische Arbeiterpartei einberufen wird, zur Umweltministerin aufsteigt und schließlich dem den linken Chauvinismus der 70er-Jahre mit Können und Pragmatismus trotz und so bis an die Spitze der Politik aufsteigt.

„Ich war erleichtert, weil es ziemlich gut war. Und ich habe mich wiedererkannt“, meint die mittlerweile 84-jährige Gro Harlem Brundtland, die in Norwegen nur als „Mutter des Landes“ bekannt ist, über Powerplay. Eine gewisse Ähnlichkeit zur „Mutti“, zu Angela Merkel ist kaum von der Hand zu weisen. Tatsächlich ähneln sich die beiden Figuren: beide kommen aus der Wissenschaft, beide mussten sich in einer von Männern dominierten Welt durchsetzen und beide haben es zu ihrer Waffe gemacht, unterschätzt zu werden. Doch weiß die Serie mit viel drastischeren Parallelen auf unsere politische Gegenart zu verweisen: Diskussionen zu Rechten von indigenen Menschen, NATO-Beitrittsgesuche, Umweltpolitik, Abtreibungsrecht.

Wiederholt sich Geschichte?

Es ist mitunter erschreckend, wie sehr sich trotz all des Fortschritts einige politische Kämpfe von damals ins Jetzt übersetzen lassen. Die Serie wählt dafür einen sehr besonderen, ja schon fast radikalen Ansatz. Wundert man sich am Anfang noch, dass auf der Straße Menschen im Hintergrund Smartphones in der Hand halten, moderne Autos an den Ampeln stehen und die Welt – abgesehen von den Protagonist:innen und einem extra penetranten 70er-Jahre-Filter – so überhaupt nicht nach 70er-Jahre aussieht, beschleicht einem zunehmend die Erkenntnis, dass dies weniger am mangelnden Ausstattungsbudget gelegen haben muss, als ein bewusstes Stilmittel ist: Hier wiederholt sich (politische) Geschichte.

Umweltministerin Gro Harlem Brundtland (Kathrine Thorborg Johansen) kämpft energisch für Ihre Ziele (mit Øyvind Brandtzæg, l. und Manish Sharma, hinten).
Umweltministerin Gro Harlem Brundtland (Kathrine Thorborg Johansen) kämpft energisch für Ihre Ziele (mit Øyvind Brandtzæg, l. und Manish Sharma, hinten). Foto: Foto: NDR/Motlys/Novemberfilm/NRK

Ist diese Grundaussage auch recht alarmierend, bleibt die Serie dennoch stets an der Grenze zum Klamauk. Doch das tut dem Thema besonders gut. Die vierte Wand und Splitscreens werden kurzerhand durchbrochen, Politiker-Egos durch die Manege gezogen, und dabei spielerisch leicht die uralte, doch stets relevante politische Herausforderung verhandelt, das Gleichgewicht zwischen Macht, Idealismus und Pragmatismus herzustellen. Und wegen dieser charmant-intelligenten Herangehensweise hat die NDR-Koproduktion einen Hauptpreis beim Canneseries gewonnen.

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